: Zweite Zuspitzung im Hungerstreik
Gabriele Rollnik wurde am Wochenende ins Knastkrankenhaus Berlin-Moabit verlegt / Ebenso wie Rolf Heißler hungert sie heute seit 69 Tagen / Bundesjustizminister Engelhard und Innenminister Schäuble bekräftigen ihre harte Linie / Ratlosigkeit bei den UnterstützerInnen ■ Von Maria Kniesburges
Berlin (taz) - Gabriele Rollnik, als Mitglied der ehemaligen „Bewegung 2.Juni“ zu einer 15jährigen Haftstrafe verurteilt, ist am Freitag abend aus dem Sicherheitstrakt der Frauenvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee in das Krankenhaus der Vollzugsanstalt Moabit verlegt worden. Sie verweigert heute seit 69 Tagen die Nahrungsaufnahme. Ihr Zustand, so der Justiz-Pressesprecher des rot-grünen Berliner Senats, Christoffel, werde rund um die Uhr von Ärzten überwacht. Eine Rückverlegung der Gefangenen komme erst nach Abbruch des Hungerstreiks in Betracht. Noch sei ihr Zustand „den Umständen entsprechend stabil“, doch kann sich das nach ärztlicher Auskunft „sehr schnell und plötzlich gravierend ändern“.
Unterdessen bekräftigte am Wochenende der frisch gekürte Bundesinnenminister Schäuble das Kanzler-Wort: „Der demokratische freiheitliche Rechtsstaat ist nicht erpreßbar.“ Er könne keine Verhandlungen mit Strafgefangenen führen. Der CDU-Politiker beteuerte: „Wir wollen keine Toten, weder in den Gefängnissen noch außerhalb“ - und fügte hinzu, daß es darum gehe, den „Terroristen nur immer wieder klarzumachen: Die sollen ihren Hungerstreik abbrechen, weil er sinnlos ist“.
Auch Bundesjustizminister Engelhard spielte die altbekannte Platte. Er machte das „Prinzip der Gleichbehandlung“ gegen die Forderung der Gefangenen nach Zusammenlegung geltend: „Niemand kann verlangen, in einer Weise behandelt zu werden, die ihm die Auswahl erlaubt, mit wem er zusammen an welchem Ort seine Strafe zu verbüßen hat.“ Ebenso wie Schäuble räumte Engelhard lediglich ein, daß in jedem Einzelfall Ermessensentscheidungen möglich seien.
Aus dem Berliner Justizsenat verlautete am Wochenende erneut, daß die „Bemühungen um einen schnellstmöglichen Abbruch des Hungerstreiks auf allen politischen Ebenen weitergeführt“ würden.
Die Alternative Liste, Koalitionspartnerin der SPD im Berliner Senat, hatte diesen am Freitag abend aufgefordert, den Hungerstreikenden „die Möglichkeit zur Bildung einer großen Gruppe in Berlin anzubieten.“
Über konkrete Fortschritte in Richtung einer Lösung des Konflikts wurde jedoch auch an diesem Wochenende von keiner Seite etwas bekannt. Inoffiziell heißt es lediglich, daß es Verhandlungen zwischen den Gefangenen und Fortsetzung auf Seite 2
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Vertretern der Länderjustizministerien gebe. Angesichts dieser offiziellen Nachrichtenlage macht sich außerhalb der Betonfraktionen erneut Ratlosigkeit breit, wie sie bereits während der ersten zugespitzten Situation in diesem Hungerstreik herrschte. In jener Situation hatten die Gefangenen Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo ihren Hunger
streik nach 73 Tagen ausgesetzt, um, „die Zuspitzung für eine Zeit wegzunehmen.“ Allenthalben hatte dies die Hoffnung auf eine Lösung ohne Tote ausgelöst.
Wie Gabriele Rollnik hungert auch Rolf Heißler, inhaftiert in der bayrischen Vollzugsanstalt Straubing, heute seit 69 Tagen. Sein Gesundheitszustand wird als „noch stabil“ bezeichnet. Die ebenfalls in Bayern, in der Vollzugsanstalt Aichach inhaftierte Brigitte Mohnhaupt, die seit 55 Tagen hungert, war bereits
am Donnerstag in die Krankenabteilung der Haftanstalt München-Stadelheim verlegt worden.
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