: 'Prawda‘ setzt Demontage Stalins fort
■ Zeitung der KPdSU wirft Diktator massive Fehleinschätzung von Geheimdienstberichten über bevorstehende deutsche Invasion vor / Bericht zum 44.Jahrestag des Kriegsendes
Moskau (ap) - Die sowjetische Parteizeitung 'Prawda‘ hat am Montag die Demontage des Diktators Stalin mit einem ganzseitigen Bericht fortgesetzt. Darin wird bestätigt, daß dem damaligen Kremlchef bereits im November 1940 detaillierte Geheimdienstberichte über die bevorstehende deutsche Invasion vorlagen. Der 'Prawda'-Artikel erschien am Vorabend des 44. Jahrestages der zweiten deutschen Kapitulation durch Generalfeldmarschall Keitel. Keitel hatte die zuvor in Reims vorgenommene erste Kapitulation auf Moskauer Verlangen im sowjetischen Hauptquartier Berlin -Karlshorst wiederholen müssen. Der 9. Mai ist seither in der UdSSR offizieller Feiertag.
Der Historiker A. Baidakow kommt in einem langen Bericht über seine Auswertung von Geheimdienstdokumenten zu dem Schluß, die damalige Parteiführung trage mit ihrer Fehleinschätzung des Geheimdienstmaterials die Verantwortung dafür, daß das Land nicht rechtzeitig in den Zustand voller militärischer Bereitschaft versetzt worden sei.
Laut Baidakow war es dem sowjetischen Geheimdienst gelungen, Agenten ins deutsche Luftfahrtministerium und in die Gestapo einzuschleusen. Laut 'Prawda‘ hat Stalin auch im Krieg selbst Geheimdienstberichte „amateurhaft“ ignoriert. So hätten die Agenten gemeldet, daß 1942 gestreute Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff auf Moskau seien ein Ablenkungsmanöver von der bevorstehenden deutschen Offensive im Süden.
Im vergangenen Sommer hatte die 'Prawda‘ im Zeichen von Glasnost erstmals mit der Tradition gebrochen, zu Gedenktagen des Zweiten Weltkriegs ausschließlich unkritische Artikel über sowjetisches Heldentum zu veröffentlichen und Stalin als genialen Kriegsherrn darzustellen. Damals hatte die Parteizeitung Auszüge aus einem Buch veröffentlicht, in dem der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 verurteilt wird. Außerdem wurde Stalin darin angelastet, er habe die Streitkräfte mit einer Säuberungswelle geschwächt.
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