Panama: Grober Wahlbetrug und zwei „Sieger“

■ Unabhängige Beobachter der Präsidentschaftswahlen bezeichneten Oppositionskandidaten als deutlichen Sieger / Kandidat des starken Mannes Noriega feiert sich als Gewinner / Noch immer kein offizielles Ergebnis / Soldaten Noriegas stahlen Wahlprotokolle

Panama (wps/afp/dpa/ap/taz) - Bei den Präsidentschaftswahlen in Panama ist es offenbar zu offenem Wahlbetrug und massiver Einschüchterung der Wähler gekommen. In San Miguelito, einem Stadtteil von Panama, drangen zum Beispiel Zeugenaussagen zufolge Soldaten in das Abstimmungslokal ein, schossen die Wahlbeobachter in die Flucht und stahlen die Protokolle, in denen das Ergebnis der Stimmenauszählung festgehalten war. Da die Stimmzettel nach ihrer in Protokollen registrierten Auswertung vernichtet werden sollen, ist eine spätere Nachzählung nicht möglich. Nach lokalen Berichten kamen allein in San Miguelito die Wahlakten von zehn Prozent der Wahlberechtigten des Landes abhanden. Auch in der Hafenstadt Colon sollen die Wahlunterlagen gestohlen worden sein.

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter, der anfänglich einen „massiven Wahlbetrug“ ausschloß, geißelte am Montag abend das Vorgehen von Noriegas Soldaten: „Ich hoffe, daß es zu einem weltweiten Aufschrei gegen diese Diktatur kommt, die dem eigenen Volk die Wahl stiehlt.“ Carter, der mit Noriegas Vorgänger Torrijos den Panama-Kanal-Vertrag ausgehandelt hatte - das mittelamerikanische Land soll danach bis zum Jahr 2000 die volle Souveränität über die Wasserstraße gewinnen - war von der panamaischen Regierung als Wahlbeobachter eingeladen worden. Zunächst hatte er sich mit Regierungbeamten und Führern der Opposition getroffen, um eine Lösung des Konflikts zu vermitteln, dann aber doch davon Abstand genommen.

Während das vom Militär unterstützte regierende Bündnis von acht Parteien nach eigenen Angaben 48,9Prozent der Stimmen erhalten hat und die Oppositionskoalition ADO nur 43,9 Prozent, sprach Carter von einem Drei-zu-eins-Sieg der Opposition. Auch die panamaische Bischofskonferenz gab an, der Kandidat der Opposition, Guillermo Endara, habe 74,2 Prozent der Stimmen gewonnen, der Regierungskandidat Carlos Duque hingegen nur 24,9 Prozent. Die USA haben Endara bereits als Wahlsieger anerkannt. Die staatliche Wahlkommission hatte bis Dienstag nachmittag noch kein Ergebnis der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen veröffentlicht, obwohl die gesetzlich vorgeschriebene Auszählungsfrist von 24 Stunden am Montag abend abgelaufen war. US-Präsident Bush erwägt nun angeblich, die amerikanischen Truppen in der Kanalzone als Antwort auf den Wahlbetrug zu verstärken. Nach Angaben amerikanischer Regierungsbeamter gehören außerdem weitere wirtschaftliche Sanktionen zu den Maßnahmen, die der Präsident verhängen könnte.

Panamas Außenminister Jorge Ritter warf unterdessen den USA vor, die Militärstützpunkte am Panama-Kanal zu mißbrauchen. So habe der in der Kanalzone stationierte Fernsehsender der US-Streitkräfte in englischer und spanischer Sprache die von der katholischen Kirche in verschiedenen Wahllokalen gesammelten Ergebnisse veröffentlicht. Die Bekanntgabe inoffizieller Teilergebnisse ist in Panama gesetzlich verboten. Der Außenminister warf den USA zudem vor, die Militärbasen für die „illegale“ Ein- und Ausreise der offiziellen Delegation von Wahlbeobachter der US-Regierung benutzt zu haben.

Zu einer Demonstration, für die die Opposition mobilisiert hatte, um gegen den Wahlbetrug zu protestieren, fanden sich am Montag nachmittag nur etwa 10.000 Personen ein. Die Armee ging hart gegen die Demonstranten vor. Dutzende von Fahrzeugen voller bewaffneter Männer, die die Fahnen der Regierungsparteien schwenkten, rasten immer wieder auf die verstreuten Gruppen zu. Als Tausende von Anhängern der Opposition angeführt von ihrem Kandidaten zum zentralen Wahlkomitee ziehen wollten, um Beschwerde einzulegen, wurden sie von Soldaten mit Schüssen auseinandergetrieben. Im Anschluß an die aufgelöste Demonstration wurde auch ein Kameramann des lokalen Fernsehens - nach Augenzeugen von einem zivilen Regierungsanhänger - durch einen Bauchschuß schwer verletzt. Einen (kanadischen) Korrespondenten von 'Le Monde‘ verletzten Soldaten mit Schüssen aus Schrotflinten an der Hüfte.

Noch ist völlig unklar, wie sich die Lage in Panama weiter entwickelt. Das Regierungsbündnis hatte noch am Freitag angekündigt, daß Noriega bis zum Jahr 2000 Oberbefehlshaber der Streitkräfte bleiben werde. Die oppositionelle ADO hat für den Fall ihres Wahlsiegs die Entlassung Noriegas als Armeechef angekündigt. Im Februar 1988 hatten die USA vergeblich versucht, Noriega zu entmachten. Washington warf dem Befehlshaber, der jahrelang auf der Gehaltsliste der CIA stand, seinerzeit plötzlich Drogendeals vor. Damals setzte Panamas Präsident Arturo Delvalle den Armeechef, dessen treuer Vasall er selbst jahrelang gewesen war, formell ab. Noriega ließ gleich danach über das Parlament den Präsidenten absetzen. Dessen Nachfolger Solis Palma, ein Noriega treu ergebener Mann, wurde von den USA nie als Präsident anerkannt. Die USA versuchten vergeblich, Noriega und sein Zivilregime über Handels- und Kreditboykott in die Knie zu zwingen.

thos