PUZZLES AUF SEGELTUCH

■ Edgar Hofschen in der Galerie Nothhelfer

Edgar Hofschen, Jahrgang 1941, Tapiau, Ostpreußen, foppt und begeistert seit nun schon ungefähr zwei Jahrzehnten die Kritiker als bekannter „Außenseiter“ mit seinen großflächigen, moderaten, aber sinnlich intensiven Arbeiten auf Segeltuch, ausrangiertem Militärmaterial und zartgetönten Leinwänden. Teilweise sehr ästhetisch arrangiert sind Farbnuancen und Formenspiele wie Puzzles geordnet, welche dem Betrachter meditative Rätsel aufgeben, die mit verstandesmäßiger Logik und Überlegung allein kaum lösbar sind.

Auf dem intellektuellen Hintergrund geisteswissenschaftlicher Studien, Pädagogik in Wuppertal, Kunstgeschichte und Philosophie in Köln, hat er eine bildnerische Sprache entwickelt, welche originell die Fachterminologie verunsichert und allenfalls in den Sackleinwänden eines Burri, in der semantischen Reduzierung eines Fontana und der Flächensensibilität eines Tapies gewisse assoziative Entsprechungen hat.

Textur und Choreographie seiner Werke sind mitbestimmt von Rost-, Teer-, Leim- und Wetterspuren, welche gewissermaßen als ästhetisch integrierte Fundstücke, als Zierde, Akzentuierung oder Orientierung nicht erst künstlich inszeniert werden brauchten, sondern durch Beschädigungen, Flicken und Verregnungen bereits als Malgründe prädestiniert waren. Figurative Ideen, farbliche Nuancen und flächendifferenzierende Schattierungen brauchten also partiell nur ergänzt zu werden.

Bei längerer Betrachtung sind Hofschens Bilder von außerordentlichem Reiz. Die mit Leim und Pigmenten überarbeiteten Flächen sind vieldeutig lesbar: etwa als Landkarten, als schematisierte Figurationen, als konstruktive, geometrische oder improvisierte Elemente. Kanten aufgeklebter Leinwände, abgesteppte Nähte oder verwaschene Spuren bekommen semantischen, orientierenden oder verwirrenden Charakter, wenn sie, je nach Lesart, unterschiedliche Kontexte stimulieren, mit Hinweisen oder Andeutungen spielen oder scheinbare Bedeutungen durch Widersprüche steigern oder entwerten.

Gerade die latente und wohl gewollte Bedeutungslosigkeit der ablesbaren Zeichen steigert im Betrachter, der ja durch den Alltag vorprogrammiert ist, mit mehr oder minder unbewußten normativen Sinnbezügen und Subjektivitäten der semantischen Reaktion und Kommunikation, eine Bereitschaft zur Bedeutungssteigerung. Allerdings läuft diese weitgehend ins Leere, denn sie wird durch keine Zeichenlatenz bestätigt. Im Gegenteil gerät der Betrachter nach einer Phase der gesuchten Bedeutung in eine neue Phase der Ratlosigkeit, denn die gezeigten Zeichen behaupten eine Eigensinnlichkeit gegenüber der gewohnheitsmäßigen Trägheit der Bedeutungssuche. Dadurch wird auch die handwerkliche Qualität von Hofschen Arbeiten evidenter, denn der ob so viel Bedeutungssuche sehnsüchtig gewordene Betrachter sucht verständlicherweise nach greifbaren sinnlichen Qualitäten. Also beruhigt ihn die gediegene Verarbeitung von Hofschen Bildern.

Weil die handwerkliche Qualität im Kunstwerk aber vom Nutzwert abstrahiert und keinen weiteren Nutzwert hat außer Bild zu sein, wird der ästhetische Wert gesteigert, etwa die feinen meditativen Farbmelodien, welche Hofschens Bilder sowohl in den helleren als auch in den dunkleren Tönungen kennzeichnen. Da Hofschen nie bunt, aber immer farbig arbeitet, auch wenn manche Flächen in der Nähe von Weiß erscheinen, verstärkt er das Gefühl des Betrachters, das Material transzendiere, die Komposition funktioniere, die Enthaltsamkeit von Bedeutung habe sich gelohnt. Dadurch gibt das Hofsche Bild gewissermaßen das Kompliment der Ästhetik vom Bild an den Betrachter zurück, schmeichelt also auch der Rezeption. Kunst als Entspannung.

Andreas Kaps

Galerie Georg Nothhelfer, Uhlandstr.184, 1-12. Di-Fr 14 -18.30, Sa 10-14 Uhr.