: „Keine Patentrezepte“
Dr Richard Stoess, FU Berlin, zur politischen und juristischen Auseinandersetzung mit der neuen Rechten ■ I N T E R V I E W
Dr.Richard Stöss ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung“ an der Berliner FU. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Analyse der Entwicklung des Rechtsextremismus in der BRD
taz: Wie groß ist nach den Wahlerfolgen von DVU, REP und NPD die Gefahr von rechts?
Dr.Richard Stöss: Man muß unterscheiden zwischen dem organisierten Rechtsextremismus und dem latenten Rechtextremismus, worunter ich das Einstellungspotential verstehe. Der organisierte Rechtsextremismus kann gegenwärtig bis zu zehn Prozent der Wähler mobilisieren. Sein Erfolg hängt davon ab, ob sich die Parteien und Organisationen untereinander Konkurrenz machen oder ob sie geschlossen auftreten. Und er hängt davon ab, ob die Unionsparteien beispielsweise die REPs durch potentielle Bündnisangebote hoffähig machen oder ob sie sich unmißverständlich von allen antidemokratischen Bestrebungen abgrenzen.
Gibt es zwischen der DVU, den REPs und der NPD wirkliche Gegensätze?
Von den Mitgliedern und Anhängern her betrachtet ist das vermutlich nicht der Fall. Sie wollen eine rechte Sammlungsbewegung a la Le Pen. Vom Programm her ist das sieht man mal von einigen Nebensächlichkeiten ab - ebenfalls nicht der Fall. Allein die Parteiführer wollen nicht miteinander, weil sie jeweils ganz spezifische Interessen mit ihren Parteien verquicken.
Wie ist das Erstarken der Rechten am wirkungsvollsten zu bekämpfen?
Es gibt keine Patentrezepte. Antifaschismus muß zwei Probleme bewältigen: Kurzfristig die aktuelle Auseinandersetzung mit Organisationen und deren Politik und längerfristig die Beseitigung der sozialen Ursachen für rechtsextremistische Einstellungen und Verhaltensweisen. Meines Erachtens ist die Jugendarbeit im schulischen und außerschulischen Bereich besonders wichtig.
Wie sinnvoll ist die Forderung, rechtsextreme Parteien und Organisationen zu verbieten?
Grundsätzlich muß die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus auf allen Ebenen erfolgen, auch auf der juristischen. Ich muß allerdings sagen, daß ich die juristische Ebene nicht für die wichtigste halte.
Halten Sie Gewalt in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus für legitim?
Bis zum Aufkommen der neonazistischen Schlägertrupps Mitte der siebziger Jahre waren die Aktionen gegen den Rechtsextremismus traditionell gewaltfrei. Ich habe es selbst erlebt, wie einige Mitglieder der Wiking-Jugend eine Versammlung von über 50 Leuten auseinangetrieben haben. Je mehr Gewalt von der rechten Seite kam, desto größer wurde die Notwendigkeit, sich auch körperlich zur Wehr zu setzen. Ich halte Gewalt so lange für legitim, wie sie dem unmittelbaren Schutz vor rechten Schlägern dient.
Besteht nicht die Gefahr, daß sich linker Antifaschismus und Rechtsparteien gegenseitig hochschaukeln? Haben nicht die Massendemonstrationen gegen die REPs der Partei erst eine große Publizität verschafft?
Das ist ja immer behauptet worden, daß die REPs nur deswegen in Berlin so großen Erfolg hatten, weil es die Demonstrationen am Congress-Centrum und die große Empörung über den ausländerfeindlichen Wahlkampfspot gegeben hat. Das ist schlichter Unfug. Die Ursachen des Wahlerfolges der REPs liegen bekanntlich vor allem darin, daß der Berliner CDU -Senat eine unsoziale Politik betrieben, nichts gegen die Arbeitslosigkeit, die Wohnungsmisere und nichts für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der jungen Leute getan hat. Und: Er hat der Ausländerfeindlichkeit massiv Vorschub geleistet.
Interview: wm
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