: Wer darf die Basken vertreten?
■ Die marxistisch-leninistische Partei „Herri Batasuna“ - politischer Arm der ETA - jedenfalls nicht / Die konservativ-nationalistischen baskischen Parteien, die die Mehrheit der Stimmen haben, wollen keine linke Bevormundung / In der Forderung nach mehr Eigenständigkeit gegenüber Madrid sind sich die BaskInnen einig
Drei Monate lang hatte im Baskenland eine ungewohnte Ruhe geherrscht: keine Anschläge, keine Polizeikontrollen auf den Straßen, selbst die Sprache der Politiker war friedlicher geworden. Doch Anfang April wurden die Gespräche in Algier zwischen der spanischen Regierung und der ETA abgebrochen. Seither ist wieder die altbekannte Spannung eingekehrt.
Anlaß für die neuen Feindseligkeiten sind zwei Kommuniques. Das erste wurde am 27.März von der ETA veröffentlicht. Es gibt den Abschluß der ersten Gesprächsphase und den Übergang zu einer zweiten bekannt und verkündet einen neuerlichen Waffenstillstand bis Ende Juni. Das zweite Kommunique wurde am Tag darauf von der spanischen Regierung herausgegeben und begrüßte in knapper Form die Fortsetzung der Gespräche. Der Regierungstext erregte den Unwillen der ETA. Beide Kommuniques seien gemeinsam verfaßt worden, erklärte die Organisation, doch die Regierung habe den Wortlaut verändert. Nachdem die Regierung ihr Kommunique nicht berichtigte, beendete die ETA ihren Waffenstillstand. Die Regierung ihrerseits will nicht mit der ETA verhandeln, solange die ihre Waffen nicht niederlegt.
Auf Außenstehende wirken die Abweichungen in den beiden strittigen Kommuniques banal - ihre politische Sprengkraft liegt im Detail. So hatte die ETA in ihrer Version zwar eine zusätzliche „Diskussionsrunde“ angekündigt, der Kreis der DiskutantInnen sollte sich jedoch nur „aus Vertretern der politischen Optionen zusammensetzen, die beide handelnden Organisationen vertreten“. Mit anderen Worten sollten die gemäßigten baskischen Parteien ausgegrenzt werden und lediglich Vertreter von „Herri Batasuna“, für die ETA, und PSOE, für die spanische Regierung, an den Gesprächen teilnehmen.
Bereits die erste Gesprächsphase in Algier hatte bei den gemäßigten baskischen Parteien Mißtrauen erzeugt. Vor einem Jahr hatten sie zwar gemeinsam den „Pakt von Ajuria Enea“ gegen den Terrorismus unterzeichnet, der die Regierung legitimierte, einen Dialog mit der ETA aufzunehmen. Doch waren damit lediglich Verhandlungen über eine Niederlegung der Waffen gemeint. „Im Gegenzug hätten wir den mehr als 400 gefangenen Etarras und den Hunderten im Ausland lebenden ETA -Mitgliedern die Möglichkeit geboten, sich wieder in die baskische Gesellschaft einzugliedern“, so der Sprecher der konservativen „Baskischen Nationalistischen Partei“ PNV, Joseba Egibar.
ETA will politischen
Protagonismus
Doch die ETA verlangt mehr als eine Amnestie: Sie will politischen Protagonismus. Deshalb wollte die bewaffnete Organisation ihren politischen Arm „Herri Batasuna“ als Repräsentantin der baskischen Forderungen gegenüber der spanischen Zentralmacht in die zweite Gesprächsrunde schicken.
Kein Wunder, daß die gemäßigten baskischen Parteien damit nicht einverstanden waren. Schon während der ersten Gesprächsrunde in Algier warfen sie der spanischen Regierung vor, daß sie der ETA zu weit entgegengekommen sei. Joseba Egibar von der PNV sagt ganz deutlich: „Die Erwartung, daß bei der Gesprächsrunde in Algier die ETA und die spanische Regierung über die Zukunft Euskadis (Baskenland, d. Red.) verhandeln, heißt, sich in der Diagnose irren.“
BaskInnen hoffen
auf Europa
Doch die durch den Rückzieher der Regierung wieder hergestellte Klarheit der Fronten: Madrider Regierung und gemäßigte baskische Parteien einerseits und ETA und „Herri Batasuna“ andererseits täuscht. Denn sobald es um baskische Forderungen gegenüber Madrid geht, verwandelt sich die Zentralregierung unversehens in den politischen Gegner des gesamten nationalistischen Spektrums.
Nationales Bewußtsein ist im Baskenland in den letzten Jahren immer stärker geworden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Integration in die Europäische Gemeinschaft. Die PNV, die unter der Selbstbestimmung des Baskenlands eine Neudefinierung ihres Verhältnisses zu Madrid sowie eine Gleichstellung Euskadis mit den europäischen Staaten versteht, hofft, daß das geeinte Europa Fortschritte in dieser Richtung bringen wird. Auch „Herri Batasuna“ sowie „Eusko Alkartasuna“, eine Abspaltung der konservativen PNV, die beide die Unabhängigkeit des Baskenlandes anstreben, erwarten, daß das geeinte Europa der Zentralregierung Entscheidungsbefugnisse über das Baskenland wegnehmen und nach Brüssel verlagern wird.
Große Übereinstimmung unter den nationalistischen Parteien besteht auch in der Forderung nach Wiedereingliederung der weiter südlich gelegenen derzeit autonomen Provinz Navarra in das Baskenland.
Wenn das ETA-Kommunique durchgesetzt worden wäre, hätte eine 18-Prozent-Partei marxistisch-leninistischer Prägung in Algier das nationalistische Selbstverständnis der mehrheitlich konservativen BaskInnen vertreten. Allein die Waffen der ETA hätten sie dazu legitimiert. Die baskischen Parteien haben das verhindert.
Zurück bleibt eine baskische Bevölkerung, die immer allergischer auf die Strategie der Spannung reagiert. Zurück bleiben alarmierte baskische Parteien und eine zunehmend skeptische spanische Öffentlichkeit. Zurück bleiben zwei ehemalige Gesprächspartner, die ihre Stellungen auszubauen versuchen. Sie beenden ihre Mittlertätigkeit offiziell, gab vor kurzem die algerische Regierung bekannt. Beide Seiten hätten auf einen Abbruch der Gespräche hingewirkt, um die Zusammenkünfte an anderem Ort und auf anderen Grundlagen und Prinzipien neu einzuleiten.
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