CDU/CSU-Entwurf zur Gewalt im Ehebett

Union plant neuen Paragraphen zur Vergewaltigung in der Ehe / §218 soll dafür nicht automatisch gelten  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die CDU/CSU will Vergewaltigungen im Ehebett unter Strafe stellen. Durch die Einführung eines neuen Paragraphen im Strafgesetzbuch wollen die Konservativen aber gleichzeitig sicherstellen, daß betroffene Ehefrauen für eine Abtreibung dann keine kriminologische Indikation nach §218a in Anspruch nehmen können. Dieser Vorschlag, der morgen im Bundestag vorgestellt wird, trägt den Bedenken der Patriarchen vor allem in der CSU Rechnung: Sie hatten einen Gesetzentwurf seit geraumer Zeit mit dem Einwand blockiert, die Strafbarkeit der ehelichen Vergewaltigung würde die Abtreibungszahlen in die Höhe schnellen lassen. Ob sich die FDP auf den juristischen Winkelzug einläßt, ist noch offen. Selbst die Expertinnen der Liberalen kannten den neuen Vorschlag gestern noch nicht.

Bisher stellt das Strafgesetzbuch nur den erzwungenen „außerehelichen Beischlaf“ unter Strafe. Auf einfachste Weise dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Ehefrauen Rechnung zu tragen und einfach das Wörtchen „außerehelich“ zu streichen, geht den Regierungsparteien zu weit: Einen solchen Entwurf der SPD wird der Bundestag am Freitag abstimmen; CDU/CSU und FDP wollen ihn ablehnen.

Statt dessen wird die Unionsfraktion in der Bundestagsdebatte die Einführung eines neuen §172 ins Strafgesetzbuch vorschlagen, der die eheliche Vergewaltigung mit dem gleichen Strafmaß bedroht wie Fortsetzung auf Seite 2

Heimat oder was? Aussiedler aus der UdSSR bei der Ankunft in Hannover

Foto: Dietmar Gust

Italien: Generalstreik ohne die alte Begeisterung

Foto aus: L'illustrazione Italiana

die außereheliche, nämlich mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren. Da es sich aber um einen neuen Paragra

phen handelt, nimmt der bisherige Abtreibungsparagraph 218 darauf keinen Bezug. Die vergewaltigte Ehefrau kann also keine kriminologische Indikation in Anspruch nehmen, sondern nur wie bisher versuchen, die Abtreibungsgenehmigung über den Umweg einer Notlagen-Indikation zu erreichen. Wie der CDU-Rechtspolitiker Horst Eylmann gestern gegenüber der taz erläuterte, wird das „ein Stein des Anstosses“ für die FDP sein. Die Liberalen drängen auf die vollständige juristische Gleichbehandlung von Vergewaltigungen; ein entsprechender Gesetzentwurf von Justizminister Engelhard schmort seit Monaten in der Schublade.

Wie der Schubladen-Entwurf von Minister Engelhard sieht das Unions-Modell nun vor, daß die

eheliche Vergewaltigung zwar von Staats wegen verfolgt wird, die Ehefrau jedoch das Strafverfahren durch ihren Einspruch beenden kann. SPD und Grüne befürchten, daß damit dem Ehemann freie Hand gegeben wird, seine Frau unter Druck zu setzen. Die SPD will nur dem Gericht die Möglichkeit geben, von einer Strafe abzusehen, wenn sich Opfer und Täter wieder vertragen. Dies wird auch von einigen FDP-Frauen unterstützt. Zur Debatte steht jetzt, ob der Unionsvorschlag - intern auch „Paragraph zum Schutz der Ehe“ genannt -, geeignet ist, eine öffentliche Bewußtseinsänderung zu erreichen. Denn dieses Kriterium, die eheliche Gewalt zu ächten, wurde in der nunmehr sechsjährigen Diskussion immer wieder hervorgehoben.