: „Ein unheimliches Hindernis“
■ Sozialdemokratisches WBK-Vorstandsmitglied Dr. Klaus Riebschläger fordert indirekt eine Rückkehr zur alten skandalumwitterten Baubefreiungspraxis
Die verdutzten Journalisten glaubten ihren Ohren nicht zu trauen: Eine Rückkehr zu der ausufernden Baubefreiungspraxis früherer Jahre forderte gestern indirekt das politisch auf dem rechten SPD-Flügel angesiedelte WBK-Vorstandsmitglied Dr. Klaus Riebschläger anläßlich der Vorstellung des Geschäftsberichts der Wohnungsbau-Kreditanstalt (WBK) für das abgelaufene Jahr 1988. Anlaß: Während 1987 nach WBK -Ermittlungen Wohnungsbauflächen noch mit einer durchschnittlichen statistischen Geschoßflächenzahl (GFZ) von 1,97 überbaut wurden, sank die Berechnungsquote der Grundstücksausnutzung 1988 auf 1,15 ab.
„Unsere Analyse geht dahin, daß das ein Reflex auf die Bauskandal-Diskussion in der Stadt ist, weswegen die Planungs- und Genehmigungsbehörden in ganz starkem Ausmaß dazu übergehen, rein routinemäßig zu entscheiden - das bedeutet, Ausnahmeentscheidungen gen Null zu fahren“, so Riebschläger. Damit sei die an sich korrekte Genehmigungspraxis vor allem der Bezirke dem parteien- und interessenübergreifend geforderten verstärkten Sozialwohnungsbauprogrammen total entgegengesetzt. Sie stelle eigentlich ein „unheimliches Hindernis für jede Form von Wohnungsbaupolitik“ dar.
Freilich sei diese Bestandsaufnahme beileibe kein Plädoyer für eine Rückkehr zu bestimmten anstößigen oder gar kriminellen Verhaltensweisen der Antes-Ära, schwächte der WBK-Vormann und Exsenator auf taz-Nachfrage ab. Dennoch: „Bei jeder Entscheidung unter städtebaulichen oder sonstigen Akzenten muß auch die Frage einer weitergehenden Ausnutzung des Grund und Bodens gegenüber der Regelbebauung einer Prüfung zugeführt werden.“
Von den 3.000 Sozialbauwohnungen des sogenannten 1. Förderungsweges, die der neue Senat in diesem Jahr hochziehen will, sind laut Riebschläger bis jetzt erst knapp 10 Prozent bewilligt. Die Förderung weiterer Wohnungen stoße fast immer auf Planungsprobleme, selbst wenn die Anträge im Hause als „realistisch bearbeitungsfähig“ eingestuft seien. Angesichts der Malaise seien die Wohnungsbauziele des neuen Senats nur zu realisieren, wenn alle liegengebliebenen Projekte „unter Dampf flottgemacht“ würden und die privaten Investoren, die sich mit Grundstücken eingedeckt haben, „marschieren“.
Im vergangenen Jahr bewilligte die WBK Fördermittel von etwa 560 Millionen Mark für etwa insgesamt 3.421 Mietwohnungen. Davon waren jedoch nur 1.619 Sozialwohnungen des 1. Förderungsweges. Voll ausgeschöpft wurden die 1988 zur Verfügung stehenden 320 Millionen Mark zur Modernisierungs- und Instandsetzungsförderung. Gefördert wurden knapp 29.000 Wohnungen.
thok
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen