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Dacapo: „lyrics and jazz“

■ no meaning with ME

Jazz und Lyrik - das ist ein düsteres Kapitel, vorbelastet bis zum Stehkragen, seit in den guten alten 70er Jahren der sozialdemokratische Vorzeigerevoluzzer Peter Rühmkorf sich mit dem Norddeutschen Jazz-Mogul Michael naura verbrüderte und sie gemeinsam das Etikett „Jazz und Lyrik“ für ihre mit sanften Klängen untermalten Vortragsreisen pachteten. Das war damals auch durchaus in Ordnung, hatte den Reiz der Verschmelzung sensibler Klanglandschaftsmalerei mit einer gewissen Gedankenschärfe, die in den vorgetragenen Gedichten steckte. Doch wie so vieles, nutzt sich auch solch ein Projekt ab, wird zum Anachronismus, die Klanglandschaft vergilbt, wird in ihrer Einfühlsamkeit kontur-und bedeutungslos, wie der sich obstinat wiederholende Sprachwitz zu schulmeisterlicher Betulichkeit mutiert.

Wer heute also ein Konzert unter das Motto „Lyrics und Jazz“ stellt, muß mit diesen Vorurteilen kämpfen und das ist für das Programm „Transavalue Books“ kein Problem. Auf einer gänzlich anderen Ebene, musikalisch wie sprachlich rauher, spröder, „Sinn„-loser, abstrakter also moderner und zu allem Überdruss in der (uns) distanzierenden Sprache Englisch gehalten, versuchen sich die L.A.-Jazzer Vinny Golia und Michael Vlatkovich und der Dichter Chuck Britt am gemeinsamen Ausdruck auf den verschiedenen Wahrnehmungsebenen. Chuck Britt, dessen Texte gelesen werden, zählt zu den amerikanischen Trash-Poeten der neueren Generation, die in ihren Texten die Wurzel-und Orientierungslosigkeit der Outcasts in der polarisierten Industriegesellschaft reflektieren. Die beiden Musiker, der Saxofonist Vinny Golia, der dem Dunstkreis des Free-Jazz -Strukturalisten Anthony Braxton zugehört, und der Posaunist Michael Vlatkovich, arbeiten bei der Umsetzung der Texte mit festgelegten Mustern, komponiert und abrufbar, die, so das Info, „sich strukturell auf die vielschichtigen Texte bezeihen“ und eine Rückwirkung der Musik auf den Verlauf der Lesung gewähren sollen. Kommunikation heißt das Programm, Kommunikation zu dritt, miteinander und nach außen, eine Kommunikation die der Zeit der Kinderschuhe entwachsen ist, in der sich die künstlerische Vermittlung noch auf verbindliche Zeichensysteme berufen konnte, eine Kommunikation, die in der Zeit ihrer Zerstörung neue Sprechweisen erfindet. ste

BGH Weserterrassen, So. 20 Uhr

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