: Eheliche Vergewaltigung kein Abtreibungsgrund?
Auch gestrige Bundestagsdebatte brachte keine Klarheit über die entsprechenden Gesetzesplanungen der Bundesregierung / FDP will kriminologische Indikation ausnahmslos gelten lassen / Hardliner der Union dominierten aktuelle Stunde im Parlament zum Memminger Urteil ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Auch die gestrige Parlamentsdebatte zum Thema Strafbarkeit der ehelichen Vergewaltigung brachte keine Klarheit darüber, wie ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung aussehen soll. Wie berichtet, wollen alle Regierungsparteien ein entsprechendes Gesetz, offenbarten jedoch gestern weiterhin Dissens. Erstmal lehnte man einen SPD-Entwurf ab.
Die CDU/CSU will die Vergewaltigung im Ehebett zwar genauso geahndet wissen wie außereheliche Übergriffe, aber gleichzeitig die Inanspruchnahme der kriminologischen Indikation des Paragraphen 218 verhindern. Außerdem soll die Frau das Strafverfahren jederzeit stoppen können. Die Vergewaltigung in der Ehe habe nämlich, so argumentierte der CDU-Abgeordnete Horst Eylmann, „weniger die Dimension eines gesellschaftlichen Konflikts“, sondern spiele sich „im engen Raum der intimen Beziehungen“ ab. Eylmann machte deutlich, daß die Abtrennung von der bisher für Vergewaltigungen anerkannten Abtreibungsindikation ein Zugeständnis an die Hardliner in den eigenen Reihen ist: er selbst nannte die Befürchtung, die Abtreibungszahlen könnten sonst steigen, „völlig unbegründet“. Eylmann mahnte seine Fraktionskollegen, sich jetzt nicht mehr querzustellen, „denn sonst werden die Frauen dieses Hauses die Geduld verlieren und einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Sorgen wir dafür, daß es dazu nicht zu kommen braucht.“ Eine interfraktionelle Frauen-Initiative war in der Vergangenheit unter anderem von der FDP-Politikerin Adam-Schwaetzer vorgeschlagen worden.
Daß eheliche Vergewaltigungen nicht automatisch als Abtreibungsgrund anerkannt werden sollen, bezeichnete der FDP-Redner Detlef Kleinert als „entscheidenden“ Dissens: „Ich sehe nicht, wie wir in der Lage sein sollten, einer Ausnahmeregelung zuzustimmen, die vom Anlaß her und systematisch nicht zu begründen ist.“ Justizminister Engelhard (FDP) nannte als Anforderung an das neue Gesetz außerdem die „Gleichbehandlung der verschiedenen Penetrationsformen“ bei Vergewaltigungen. Frauenministerin Ursula Lehr (CDU) zog sich in bekannter Manier auf eine Floskel zurück: „Über alle Vorschläge muß noch weiter debattiert werden.“
In der vorausgehenden aktuellen Stunde des Bundestags zum Memminger Urteilsspruch gaben hingegen die aggressiven Töne der Lebensschützer den Unions-Ton an. Norbert Geis (CSU) geißelte „die beispiellose Hexenjagd auf ein freies Gericht“: „Niemals kann die Entscheidung, ob das nichtgeborene Kind leben darf, allein der Schwangeren und dem Arzt überlassen bleiben.“ Das Motto „Helfen statt strafen“ - bekanntlich von Rita Süssmuth vertreten - sei „ebenso gedankenlos wie falsch“. Die FDP-Politikerin Uta Würfel erinnerte daran, daß die jetzt „schwer erträgliche Rechtsunsicherheit“ bei der früheren Ablehnung der Fristenregelung bereits absehbar war. Nach der Revisonsentscheidung über das Memminger Urteil müsse es eine Antwort geben, „was wir von seiten des Gesetzgebers zu erwarten haben.“
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