Berri präsentiert deutsche Geisel

■ Der lange Arm des Schiitenführers / Lediglich „enge Kontakte genutzt“ / Sein gepanzerter BMW wird nun in Beirut erwartet / Entführung Teil des Machtkampfes im Libanon

Saida (afp/ap/taz) - Aufatmen über die Freilassung eines Entführungsopfers, aber auch Staunen über eine neuerliche Demonstration libanesischer Verwicklungen prägten die Stimmung, als am Pfingstsonntag gegen 16 Uhr der Chef der schiitischen Amal-Miliz, Nabih Berri, in seinem gepanzerten BMW am Sitz der Hilfsorganisation ASME-Humanitas im südlibanesischen Zahrani vorfuhr. Dort präsentierte der Milizführer den offensichtlich wohlbehaltenen Bundesbürger Markus Quint, der am 4.Mai unter mysteriösen Umständen im Südlibanon verschwunden war.

Nach Aussagen seiner Kollegen Petra Schnitzler und Heinrich Strübig war der 21jährige Quint gemeinsam mit ihnen in der Nähe ihres Einsatzortes, dem Palästinenserlager Mieh-Mieh, entführt worden. Schnitzler und Strübig seien wenige Stunden später wieder auf freien Fuß gesetzt worden, um die Forderungen der Geiselnehmer - ein mildes Urteil für den in Düsseldorf wegen Mordes und Flugzeugentführung angeklagten libanesischen Schiiten Mohammed Ali Hamadeh - zu überbringen. Das Urteil in diesem Prozeß wird für morgen erwartet; die Staatsanwaltschaft hat auf eine lebenslange Haftstrafe plädiert.

Mit den Kidnappern sei er nicht zusammengetroffen, berichtete Berri, er habe lediglich „einige Kontakte genutzt“. Die mit Syrien verbündete Amal hat stets bestritten, mit pro-iranischen schiitischen Geiselnehmern im Libanon zu tun zu haben. Andererseits hatten 1988 in Beirut freigelassene französische Geiseln berichtet, der mit ihnen gefangene und später in der Geiselhaft umgekommene Michel Seurat sei vom Beiruter Amal-Pressesprecher zu einem Besuch bei der in Beirut lebenden Ehefrau Seurats „ausgeführt“ und den Kidnappern wieder überstellt worden. Doch Amal -Mitglieder sind mit den pro-iranischen Geiselnehmer -Kommandos auf vielfältige Weise - häufig über die Familienzusammengehörigkeit - verbandelt. Nicht selten haben hauptberufliche Kombattanten von Amal und den schiitischen Entführergruppen gemeinsam ihren Job an der Waffe gelernt. Für die These, daß Nabih Berri mehr von den Kidnappern, die in Beirut noch immer eine Reihe von Ausländern in ihrer Gewalt haben, weiß, spricht auch das politische Timing: In den gegenwärtigen Gefechten zwischen syrischen Truppen und ihren libanesischen Moslem-Verbündeten einerseits sowie den Truppen des christlichen Generals Aoun andererseits kann die syrische Seite Eskapaden der pro-iranischen Untergrundgruppen nicht hinnehmen.

Berris BMW wird nun in Beirut erwartet, wo seit Freitag der 74jährige britische Ex-Pilot Jack Mann vermißt wird.