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Schlotternde Postpunkmanier

■ Am Pfingsmontag spielten die isländischen Sugarcubes nur 75 Minuten im Modernes vor ausverkauftem Saal und hinterließen ein ratloses Publikum: Eine wohlkalkulierte Show

„Alles can go!“ sagt der Mann nach der ersten Zugabe und weist unmißverständlich in Richtung Ausgang. Die Sugarcubes machen nach 75 Minuten Schluß und das Saallicht erhellt eine Menge ungläubiger Gesichter. „Wollen die uns verarschen?“, fragt einer. Keine schlechte Frage, nicht nur angesichts der schon unverschämten Auftrittskürze und der rüden Verabschiedung durch Co-Sänger Einar Benediktson.

Bei der inzwischen dritten Deutschlandtour der sechs IsländerInnen gehören demonstrative Gleichgültigkeit und Abneigung gegenüber Publikumsbegeisterung und Medienrummel längst zur wohlkalkulierten Show. Da hängen nachlässig große weiße Tücher über der PA und der backline, als hätten sie keine Lust gehabt, die Sachen auszupacken für die eineinviertel Stunden. Benediktson mokiert sich in Kotzbrockenmanier über die Zuhörer, und musikalisch produzieren die Vielgepriesenen Momente, in denen man sie nicht für die Zukunft des Rock halten möchte, sondern für die Vorhut derjenigen, die

seine maroden Strukturen endgültig zerhämmern werden. Die Sugarcubes touren zum dritten Mal auf der gleichen LP - auch das wohl kaum ein Zeichen von marktorientierter Motivation.

Das Programm besteht heuer allerdings zum größten Teil aus noch unveröffentlichten Titeln, und die lassen vermuten, daß die sechs keine Näherung an einen wie auch immer gearteten Mainstream ansteuern. Extreme, von Punkeinflüssen dominierte Stücke umrahmen die vergleichsweise moderaten von der LP, auf die berühmte Single Birthday wird gar ganz verzichtet: Die Sugarcubes präsentieren sich als die enfants terribles des Pop.

Zentrum ihres inzwischen ja schon fast sagenhaften Rufes sind Sängerin Björk Gudmundsdottir und Sänger Einar Benediktson. Letzterer schlottert in bewährter Postpunkmanier über die Bühne, als hätte er noch nie was von Rhythmus und gutem Benehmen gehört, Frau Björk präsentiert ihren Schulmädchensex wie beim jungsumstandenen Hinkepinke auf dem Pausenhof: Böser Onkel,

kleines Mädchen. Während Benediktson in einer Art manischem Sprechgesang ins Mikro mal grunzt, mal schreit, liegen die wirklich spannenden Augenblicke der Musik der Sugarcubes in den Solopassagen von Björk Gudmundsdottir.

Wenn sich ihre variantenreiche, auf aufregende Weise „ungezähmt“ wirkende Stimme von dem unerbittlich rollenden Groove von Baß, Gitarre und Drums schieben läßt wie von der Gewalt eines isländischen Schneepflugs - dann entstehen da neue, ungehörte Momente, eine kraftvolle, wilde Musik, durch Trompetund boards mit sparsamen Ornamenten versehen.

Doch wie gesagt, das Gesamtkonzept der Band scheint auf Extremität angelegt, darauf, das unerklärlich und unverdient breite Massenpublikum durch Konfrontation mit den Grenzbereichen der Popmusik auf seinen harten, aber verständigen Kern zu reduzieren. Das jedenfalls, so denke ich, steht den Sugarcubes bevor.

Rainer Köster

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