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Pazifist Möllemann

■ Bildungsminister will Soldaten bei der Altenbetreuung einsetzen

QUERSPALTE

Nee, was ist er für ein pfiffiges Kerlchen, unser über alles nachdenkender und plappernder Bundesbildungsminister. Jahrelang hat er sich unter dem Mäntelchen der passionierten Fallschirmspringerei als Militarist getarnt und nun kommt er mit Vorschlägen, die einem anständigen Wehrkraftzersetzer zur Ehre gereichen würden: Soldaten, so dachte Möllemann auf einer Tagung des Berufsausbildungswerkes Troisdorf vor sich hin, sollten mehr und mehr Aufgaben von Zivildienstleistenden übernehmen. Um die Akzeptanzkrise der Bundeswehr zu beheben, sollten die Rekruten nach der Grundausbildung einmal pro Woche ehrenamtlich in der Altenbetreuung tätig werden. Der Bürger in Uniform, der der Omi beim Fensterputzen hilft, der Gefreite beim wöchentlichen Großeinkauf für Opa Schulz, die Kompanie, die kurzsichtigen Alten den Weitblick über das Vorlesen aus der Lokalzeitung eröffnet, ganze Kasernen, die Patenschaften über Seniorenheime übernehmen - die Phantasie unseres bildenden Ministers über den sinnvollen Einsatz einer nutzlos herumlungernden Truppe kennt keine Grenzen.

Und wenn er so ins Schwärmen kommt, läßt es sich nicht verbergen: der Mann ist - heimlich, aber absolut - ein radikaler Pazifist. Denn was folgt, wenn man diesen eigenwilligen Abrüstungsvorschlag, den Möllemann demnächst seinem Amtskollegen Stoltenberg im Verteidigungsministerium unterbreiten will, weiterdenkt? Was, wenn man die Nützlichkeit einer Heerschar junger Männer in vollster Leistungskraft auch für andere Bereiche - etwa im Gesundheitswesen oder Umweltschutz in Anspruch nähme? Welche Vision: Stell dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin, weil die gesamte Truppe gerade das verdreckte Wattenmeer putzt oder den Pflegenotstand behebt. Es gibt viel zu tun, Herr Möllemann, am besten Sie packen es an - als neuer Verteidigungsminister.

Vera Gaserow

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