: „Zugeständnisse an den Stammtisch“
Nordrhein-Westfalen will Aussiedlern Sozialleistungen nur noch am zugewiesenen Wohnort zugestehen / Gesetzesinitiative im Bundesrat / Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit ■ Aus Düsseldorf J.Nitschmann
Nach den Vorstellungen der nordrhein-westfälischen SPD -Landesregierung sollen Aus- und Übersiedler künftig von der öffentlichen Hand nur noch dann „Unterkunft und Leistungen“ erhalten, wenn sie sich an dem ihnen von staatlicher Stelle zugewiesenen Wohnort niederlassen.
Wie NRW-Innenminister Herbert Schnoor (SPD) am Mittwoch erklärte, will die Regierung Rau einen entsprechenden Vorstoß im Bundesrat unternehmen, um das Unterlaufen des „Zuweisungsortes“ durch Gesetz mit Sanktionen zu belegen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Festlegung eines vorläufigen Wohnsitzes für Aussiedler sieht solche Sanktionen bislang nicht vor. „Die Bundesregierung hat uns hier einen Papiertiger, aber kein handhabbares Gesetz beschert“, kritisierte Schnoor. Der gewaltige Zuzug der Aus und Übersiedler könne nur bewältigt werden, wenn es „bindende Verteilungs- und Zuweisungsregelungen“ auf Länderebene gebe, die wegen der drohenden Sanktionen nicht unterlaufen würden.
Zugleich räumte Schnoor ein, daß der nordrhein-westfälische Gesetzentwurf „verfassungsrechtlich nicht unproblematisch“ sei, da er das Recht auf Freizügigkeit einschränke. Solche Einschränkungen seien zur „Notlagensteuerung“ jedoch zulässig. Die NRW-Landesregierung strebt gesetzliche Regelungen an, „die sicherstellen, daß Aussiedler und Übersiedler nur am Zuweisungsort Sozialleistungen und andere Leistungen aus öffentlichen Kassen erhalten“. Gleichzeitig müsse klargestellt werden, daß die anderen Städte und Gemeinden „nicht verpflichtet sind, diese Personen aufzunehmen, zu betreuen oder ihnen irgendwelche Leistungen zu erbringen“, heißt es in dem Entschließungsantrag, den die Regierung Rau in der kommenden Bundesratssitzung einbringen will. Nordrhein-Westfalen hat bislang 44 Prozent aller Aussiedler aufgenommen, in einigen Orten beträgt der Aussiedleranteil bereits über 20 Prozent.
Wie die taz am Mittwoch erfahren hat, sind in Düsseldorfer Regierungskreisen inzwischen erhebliche Bedenken und scharfe Kritik an dem von Sozialminister Heinemann (SPD) federführend erarbeiteten Entschließungsantrag laut geworden: Hierbei handele es sich lediglich um eine „bürokratische Verschiebelösung“, die „politisches Handeln vorgaukele“, die Mangelsituation bei den Wohnungen, Arbeitsplätzen und Sprachkursen für Aussiedler aber überhaupt nicht löse. In Wahrheit seien dies „Zugeständnise an den Stammtisch“, die die Ressentiments gegen Aussiedler weiter verschärften.
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