Gegen den Strom sparen

■ Bewag und Senat wollen Strompreise erhöhen / SPD und AL planen Halbierung des Energieverbrauchs bis 2010 / Solaranlagen sollen Wohnhäuser beheizen

Eine ungewohnte Koalition aus Bewag, SPD und AL will der Stadt höhere Strompreise bescheren. Geht es der Bewag um die durch Steuererhöhungen und Kraftwerksmodernisierung gebeutelte Bilanz, wollen die Koalitionsfraktionen das Stromsparen fördern. Wie die taz gestern erfuhr, will die Bewag zum 1.Oktober ihre lang geplante Tariferhöhung einführen. Bislang war eine durchschnittliche Anhebung um vier Pfennig im Gespräch. Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) prüft nun, inwieweit diese Erhöhung „linear“ wirksam werden kann. Das heißt: Großverbraucher sollen nicht durch geringere Tariferhöhungen für ihren hohen Energieverbrauch belohnt werden, sondern ebenso wie Kleinkunden behandelt werden. Die Fraktionen von SPD und AL versprachen gestern außerdem eine Reihe energiepolitischer Neuerungen, die den Strompreis insbesondere für die Industrie verteuern und den Energieverbrauch senken sollen. Sie schlagen dem Senat vor, billige Sondertarife für Großbetriebe zu streichen oder zumindest anzuheben. Noch in diesem Jahr, so kündigte der SPD-Abgeordnete Wolfgang Behrendt an, wollen die beiden Parteien erneut beantragen, einen Modellversuch für lineare Stromtarife zu starten. Nach Saarbrücker Vorbild würden dann auch in Berlin Stromtarife erprobt, die Großkunden nicht wie üblich starke Rabatte einräumen.

Ein „sehr ehrgeiziges Ziel“ setzten sich gestern Behrendt und der Energieexperte der AL-Fraktion, Hartwig Berger: Bis zum Jahr 2010 soll der Energieverbrauch in der Stadt halbiert werden, um einen Berliner Beitrag zum Schutz der Weltklimas vor einer globalen Erwärmung zu leisten. Hintergrund: Kohlendioxid, das bei allen Verbrennungsprozessen frei wird, trägt zu 50 Prozent zum sogenannten Treibhauseffekt bei. Nach Bergers Angaben wächst der Energieverbrauch auch in Berlin weiter. Von 1980 bis 1987 stieg er um 6,7 Prozent. Diesen Trend umzukehren sei eine „Überlebensfrage“, meinte der AL-Politiker.

Im Verhältnis zu diesen ehrgeizigen Zielen klangen die konkreten Maßnahmen, die die beiden Energiepolitiker gestern ankündigten, allerdings eher energie-, saft- und kraftlos. Zunächst wollen die Fraktionen nur zwei Vorhaben im Parlament beantragen. Zum einen soll noch in diesem Jahr eine Energieagentur eingesetzt werden, die Firmen beim Energiesparen berät und finanzielle Anleihen verteilt. Um zum Bau von Solaranlagen zu ermutigen, wollen die beiden Fraktionen zum anderen die Richtlinien zur Modernisierung und Instandsetzung von Wohngebäuden ändern. Ab 1990 sollen außerdem 50 Energieberater dafür sorgen, daß in öffentlichen Einrichtungen weniger Strom und Wärme verschwendet wird. Mit neuen Regelungstechniken, mehr Wärmeisolierung und der Umstellung von Elektrogeräten wollen die Koalitionsfraktionen den Verbrauch im öffentlichen Sektor bis 1993 um 20 Prozent reduzieren.

hmt