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Die Tage Mengistus scheinen gezählt

Nach dem Putschversuch in Äthiopien: Säuberungen / Hälfte der kriegsmüden Armee übergelaufen  ■  Von Peter Nigli

Der Staatsbesuch des äthiopischen Staatschefs Mengistu Haile Mariam in der DDR war kurz. Schon nach vier Stunden verließ er Ost-berlin wieder, da ein Teil der Militärs seines Landes einen Putschversuch gestartet hatte. Kurz vor seiner Visite bei Erich Honecker hatten seine Offiziere ernsthafte Friedensbemühungen statt einer Fortsetzung der Bürgerkriege in Eritrea und Tigray verlangt. Vergeblich, der „Mann aus Eisen“ setzte weiter auf Krieg, obwohl nach den vernichtenden Niederlagen der Armee gegen die Guerilla Eritreas und Tigrays im Frühjahr ein „Sieg“ weiter entfernt denn je ist.

Daraufhin schlugen die unzufriedenen Militärs zu. Einer ihrer Anführer war Generalstabschef Merid Negussie, der Anfang der 80er Jahre die Operationen in Eritrea geleitet und seinerzeit den jungen Mengistu als Offiziersschüler unterrichtet hatte. Die Luftwaffe unter Amha Desta schloß sich offenbar dem Putschversuch an. Amha Desta war ein Tigray und entfernter Verwandter des früheren Fürsten dieser rebellischen Provinz. Beide sind tot.

Während Mengistu in Addis Abeba die Verhaftungen und Erschießungen potentieller und wirklicher Verschwörer leitet, kommen aus der Provinz ganz andere Nachrichten. Die rund um Asmara von der „Eritreischen Volksbefreiungsfront“ (EPLF) eingeschlossene Armee bekannte sich über „Radio Asmara“ zu den Zielen des Putsches. Fast die Hälfte der gesamten äthiopischen Armee wird hier von einem Mitglied des Oromo-Stammes kommandiert, Generalmajor Demissie Bulto. Eine Säuberung von Addis Abeba aus durchzusetzen, ist äußerst schwierig. Seit Tigray vollständig in die Hände der Guerilla gefallen ist, ist dieser Armeeteil auf dem Landwege nicht mehr erreichbar. Und schließlich kursieren Gerüchte in Addis Abeba, daß sich auch die Garnison in Harrar, wo in letzter Zeit die „Oromo Befreiungsfront“ operiert, den Putschisten angeschlossen habe.

Es ist daher möglich, daß der Putschversuch lediglich den Startschuß für eine schleichende Armeerebellion gegeben hat, wie sie schon 1974 zum Sturz Kaiser Haile Selassies führte. Aber auch so dürften seine Tage gezählt sein. Ab nächstem Jahr wird der Nachschub für die Armee knapp, da die Sowjetunion sich aus ihrem Äthiopien-Abenteuer zurückzuziehen beginnt und auf eine politische Lösung drängt. Die EPLF-Guerilla verkündete unterdessen einen Waffenstillstand, um mit den putschenden Soldaten über eine Zusammenarbeit gegen Mengistu zu beraten.

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