: Entführung im Libanon selbst inszeniert?
In Bonn und Beirut mehren sich die Zweifel an der Entführung zweier Mitarbeiter der Hilfsorganisation ASME / Starke Zweifel an der Seriosität von ASME / Organisation erhält Hilfe von der AMAL-Miliz ■ Von Forudastan & Friedrichs
Berlin/Marburg (taz) - Vor vier Tagen wurden zwei Mitarbeiter der deutschen Hilfsorganisation ASME Humanitas in der libanesischen Hafenstadt Sidon verschleppt. Beide Männer, Heinrich Strübig und Thomas Kemptner, waren zusammmen mit der inzwischen freigelassenen Petra Schnitzler schon einmal am 4.Mai entführt worden. Dieser Umstand und und der zweifelhafte Ruf von ASME haben inzwischen zahlreiche Spekulationen ausgelöst.
So äußerten etwa Sicherheitsexperten den Verdacht, daß Strübig, der Leiter der Organisation, den Coup bloß inszeniert habe, um auf sich aufmerksam zu machen. ASME ist nämlich auf Spenden angewiesen. Und die drohen zu versiegen: Das deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin, das die Seriosität von Hilfsorganisationen prüft, warnt vor ASME und seinem Chef. Ihre Begründung: Der Verein halte sich in seiner „Ausgaben- und Einnahmepraxis immer äußerst bedeckt“. Heinrich Strübig hat außerdem bisher mehrfach Geld veruntreut.
Auch die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO wirft ASME vor, an der Entführung beteiligt zu sein. „Sie haben mit dem Feuer gespielt“, sagte gestern ein PLO-Sprecher in Tunis. Es scheine fast so, als ob sie um die Entführung gebeten hätten, meinte er außerdem. Die Palästinenserorganisation geht davon aus, daß ASME die Identität der Entführer kennt, sie aber nicht preisgeben will. Die Palästinenser werfen ASME außerdem vor, daß sie sich in dem Lager Mieh Mieh, in dem sie tätig waren, sehr aggressiv verhalten hätten. Früher hatte die PLO ASME unterstützt, bis es wiederholt zu Streitigkeiten gekommen war. Die Hilfsorganisation hatte sich politischen Entscheidungen der Palästinenser oft widersetzt. Inzwischen bekommmen die Deutschen von der schiitischen Amalmiliz Geld. „Ich kenne Nabih Berry persönlich, wir erhalten von ihm Transportkostenhilfe“, bekannte die Leiterin des Büros von ASME in der Bundesrepublik gestern in einem Gespräch mit der taz.
Nach Ansicht eines Amalsprechers steckt der ältere Bruder des gerade verurteilten Mohammed Ali Hamadi hinter der Entführung. Weil die Deutschen für das Hizbollahmitglied ein wichtiges Pfand darstellten, würde ihnen nichts passieren, fügte er hinzu.
Auf Befremden ist das hartnäckige Verharren der ASME-Leute auch beim Auswärtigen Amt gestoßen: Es sei „unverständlich“, daß es trotz aller Warnungen zu der neuerlichen Entführung habe kommmen könnnen, kommentierte der Sprecher des Amtes, Croborg, gestern in Bonn. Das Auswärtige Amt habe die Hilfsorganisation mindestens 15mal auf das Risiko eines Einsatzes im Libanon hingewiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen