: Sozialistische Spurenelemente
■ ADAC bezeichnet geplante Busspuren als „sozialistische Gleichschaltung“ / Taxi-Innung hofft auf Fahrgast- Zuwächse / Differenzen zu anderen Wirtschaftsverbänden bei CDU-Diskussion über neue Verkehrspolitik
Nicht alle Berliner Wirtschaftsverbände sehen in der neuen rot-grünen Verkehrspolitik, die die BVG zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs bevorzugt, ein Teufelswerk. So sprach sich am Donnerstag abend der 2. Vorsitzende der Taxi-Innung Horst Alex auf einer Podiumsdiskussion der CDU Kreuzberg über die rot-grüne Verkehrspolitik für die beschlossene Ausweitung des Busspur-Netzes aus.
„Wenn wir mehr Busspuren hätten, die wir mitbenutzen könnten, wären wir natürlich glücklich“, sagte Alex. Im Sinne der neuen Politik könnte die Innung dann bestimmt einige Leute dazu bringen, daß sie ihren Wagen zu Hause stehen lassen oder ganz abschaffen. Momentan fahren nach Auffassung des Innungssprechers nicht mehr Leute Taxi, weil die Kutscher genauso wie die anderen Autofahrer in Staus steckenbleiben. Wenn der Senat den Individualverkehr einschränken wolle, müsse er freilich das Taxigewerbe wirtschaftlich ebenso wie die BVG stützen. „Wir legen sehr viel Wert darauf, daß wir zum öffentlichen Personennahverkehr gehören“, so der Branchenvertreter. Anders dagegen die Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer und der Fuhrgewerbe-Innung. Sie wiederholten ihre bekannte Position, derzufolge Busspuren auf Haupt- und Geschäftsstraßen eine unzumutbare Behinderung des gewerblichen Lieferverkehrs mit sich bringen. Alle Maßnahmen gegen private Autofahrer müßten automatisch auch den Wirtschaftsverkehr treffen, beharrte etwa IHK-Referent Drutschmann. Wenigstens dürften die Busspuren „nicht überstürzt“ und nur nach Überprüfung der möglichen schädlichen Auswirkungen angelegt werden. Überlegungen der Verkehrsverwaltung, auf Busspuren kompromißweise eine auf einige Stunden beschränkte Ladetätigkeit zu gestatten, verwarf der Vorstandsvorsitzende der Fuhrgewerbe-Innung Welz als „unsinnig“ und „in der Praxis überhaupt nicht durchführbar“. Die Fuhrunternehmen seien gezwungen, noch mehr Lastwagen auf den Straßen einzusetzen, um die stetig wachsende Warenmenge weiter termingerecht und pünktlich befördern zu können. Einzig dem ÖTV-Bezirksvorsitzenden Kurt Lange wollte dies nicht so ganz einleuchten. Die ins Spiel gebrachten Verwaltungsüberlegungen zur zeitweisen Doppelnutzung der Busspuren böten auch dem Wirtschaftsverkehr „neue Chancen“, meinte Lange. Wenig die Wogen glätten konnte freilich auch der BVG -Direktionsassistent Wolfgang Schwenk mit seinem Hinweis, daß die BVG ja nur auf 80 Kilometern des insgesamt 1.000 Straßenkilometer umfassenden Berliner Busnetzes die Beschleunigungsspuren einrichten wolle. Schwenk: „Wir sind dankbar, wenn wir zum 1. Oktober Busspuren auf dem Kudamm, auf der Strecke vom Adenauerplatz bis zum Jakob-Kaiser -Platz, für den Flughafenbus und in der Steglitzer Schloßstraße in unser Netz reinbekommen.“ Die von der Kreuzberger CDU aufgeworfene Frage, ob durch die rot-grüne Verkehrsplanung „ein Chaos“ drohe, war schon vorher von den Lobbyisten des ADAC, der IHK, der Handwerkskammer sowie der Fuhrgewerbe-Innung voll bejaht worden. Vor den rund 50 ZuhörerInnen, in der Mehrzahl lokale CDU-Mandatsträger und örtliche Gewerbetreibende, gab sich dabei der ADAC -Verkehrsleiter Eberhard Waldau am undifferenziertesten. Er konstatierte, daß der „Kampf dem Auto“ angesagt sei und sah in der Tempo-100-Beschränkung auf der Avus das „Prinzip der sozialistischen Gleichschaltung“ walten. Angekündigte Maßnahmen wie der Stopp des Straßenbaus und eine Parkplatzreduzierung stellten überhaupt den Versuch dar, „gegen den Bürger sozialistische Ideologie durchzusetzen“.
Thomas Knauf
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