: Tennis im Meer der Sonnenhüte
Steffi Graf - Gabriela Sabatini: Traumfinale bei den Internationalen Tennismeisterschaften der Frauen perfekt ■ Aus Berlin Matti Lieske
Eigentlich sollte, wenn in Berlin die Internationalen Deutschen Tennismeisterschaften der Frauen ausgespielt werden, jeder vernünftige Mensch sofort Urlaub nehmen und sich ein paar Tage gemütlich in die Sonne legen. Sobald nämlich im Grunewald die ersten Bälle über das Netz fliegen, pflegt sich eine Schönwetterglocke über Mitteleuropa zu legen und mindestens eine Woche lang nicht zu weichen. Kaum einmal in den letzten sechs Jahren wurden die „German Open“ von Regentropfen entweiht, Berlin dürfte damit zweifelsohne das Turnier mit den meisten Sonnentagen auf der Welt beherbergen, dicht gefolgt von Kalifornien und Florida.
Ein Meer von Sonnenhüten umsäumte bei Temperaturen zwischen 24 und 30 Grad den Center Court, und die Spielerinnen konnten von Glück sagen, daß der durch die Bäume schimmernde Hundekehlesee eine wenig einladende schmutzig-olivgrüne Färbung aufweist. Andernfalls wäre ihr Publikum sicherlich mit kollektivem Hechtsprung im Gewässer verschwunden, und die Damen hätten die Filzkugeln alleine verprügeln können.
Immerhin beeilten sich Steffi Graf und Gabriela Sabatini im Halbfinale am Samstag ebenso wie im Viertelfinale, was vom pyro-dermatologischen Gesichtspunkt aus nur zu begrüßen war.
Wer gegen Steffi Graf die ersten sich bietenden Chancen nicht nutzt, hat schon verspielt. Helen Kelesi, die Kanadierin, hatte ihre Möglichkeiten im Halbfinale beim Stande von 2:2 im ersten Satz, als sie zwei Breakbälle nicht verwerten konnte. Danach war es aus mit ihrer Herrlichkeit und bald auch mit ihrer phänomenalen Kampfkraft. „Sie macht kaum Fehler“, analysierte die 20. der Weltrangliste das Spiel ihrer Kontrahentin, „sie kann sieben, acht wirklich harte Bälle hintereinander schlagen. Irgendwann spielst du ihn dann zu kurz zurück oder machst selbst einen Fehler.“
Wenn Kelesi mal ein brillanter Schlag rausrutschte, hatte Graf noch ein brillanteren zur Hand, oft einen ihrer durchtriebenen Stopps, die sie im Viertelfinale gegen die Italienerin Cecchini eifrig geübt hatte. Da gewann sie 6:2, 6:0, dasselbe Ergebnis erreichte sie gegen Kelesi.
Die Argentinierin Sabatini wird oft der Bequemlichkeit bezichtigt, was von hiesigen Beobachtern, typisch rassistisch, gemeinhin als typisch südländisch eingestuft wird, wobei unklar bleibt, wo bei dieser Betrachtungsweise etwa ihr Landsmann, der verbissene Rackerer und Kämpfer Guillermo Vilas, ethnisch gesehen bleibt. Tatsache allerdings ist, daß es Gabriela Sabatini meist nicht so eilig hat wie Steffi Graf. Sie ist die neben Chris Evert wohl ökonomischste Tennisspielerin. Wie ein Schwimmer, der in den Vorläufen gerade so schnell schwimmt, daß es für die Qualifikation zum nächsten Rennen reicht, spielt sie Tennis meist hart an der Grenze der Notwendigkeit. Kaum führt sie relativ glatt und glaubt, das Match im Griff zu haben, werden ihre Schritte sofort langsamer, ihre Schläge weicher und kürzer, ihre Bewegungen behäbiger.
Der Schwimmer Thomas Fahrner verpaßte auf diese Art in Los Angeles eine Medaille, weil er sich um einige Hundertstel verkalkulierte und den Endlauf nicht erreichte, Gabriela Sabatini aber war erfolgreich mit ihrem Schonprogramm. Gegen die sensationell in die Vorschlußrunde vorgedrungene Isabel Cueto, die eigentlich fest damit gerechnet hatte, in der ersten Runde rauszufliegen, und gar nicht genug Kleidung für eine ganze Woche dabei hatte, bekam Sabatini nur Probleme mit der Berliner Tierwelt. Die flog ihr in Gestalt einer Eintagsfliege ins Auge, konnte allerdings nur für kurzzeitige Irritationen sorgen. Souverän verteilte die Argentinierin die Bälle, gewann 6:2, 6:1 und betonte hinterher einmal mehr, wie fit sie sich derzeit fühle.
Davon konnte bei Steffi Graf nicht die Rede sein. Sie hatte während der ganzen Woche unter einer Erkältung gelitten und deshalb auch das Doppel an der Seite Sabatinis abgesagt. Auf ihrem Weg ins Einzelfinale war vom Bazillus jedoch wenig zu spüren. Dort allerdings...
Fortsetzung im aktuellen Teil dieser Zeitung.
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