: Rheinische Nervensäge
Ein verbaler Tiefflieger will nach oben ■ PRESS-SCHLAG
Es ist kein Geheimnis, mit der Fußball-Bundesliga geht es zügig bergab. Die Zuschauer im Stadion bleiben weg, und im Fernsehen mag auch bald keiner mehr hingucken. Wenn es noch eines Beweises des Niedergangs bedurfte, er wurde am Samstag im ZDF-Sportstudio geliefert.
Dort nämlich saß der neue Messias der Fußball-Bundesliga, der Kölner Trainer Christoph Daum, und geiferte mal wieder die Herren Heynckes und Hoeneß von Bayern-München an. Es ging um zugegebene und nicht zugegebene Beleidigungen, um Gürtellinien, eidesstattliche Erklärungen und Gegendarstellungen. Hatte Daum nun die Gehirnwindungen des Jupp Heynckes kritisiert oder nicht, hatte er ihn als kaputten Menschen bezeichnet, und wenn, gehört solches zum Geschäft und sollte deshalb schnell unter den Teppich gekehrt werden, wie Udo Lattek findet, oder ist es etwas, das nicht vergessen werden kann, wie der betroffene Heynckes düster drohte?
Diese brennenden Fragen unserer Zeit waren allesamt nicht zu klären, aber darauf kam es auch gar nicht an. Das erschreckend niedere Niveau des Herrn Daum und der gesamten Diskussion, die durch eine bierselige Horde gröhlender Kölner Claqueure im Studio noch zusätzlich verflacht wurde, spiegelte getreu den Zustand der Bundesliga wider. Das Evangelium des neuen Messias ist ebenso banal wie stereotyp: Köln wird Meister, Bayern soll sich warm anziehen. Mehr hat der dreiste Mann vom Rhein nicht zu bieten, wiederholt das Wenige aber, assistiert von seinem treuen Apostel Lattek („Lesen Sie meine Kolumne!“), in unendlichen Variationen, unbeirrt vom rauschenden Punktverlust beim Absteiger Hannover und dem dezenten Hoeneß-Hinweis, daß Köln selbst bei einem Sieg am Donnerstag gegen die Bayern immer noch die schlechteren Karten habe.
Wie ein trotziger Bub, der im dunklen Wald pfeift, sondert der Schlappnerverschnitt für alternde Yuppies eine Rotzigkeit nach der anderen ab und glaubt allen Ernstes, die jüngsten Errungenschaften seiner Goldkettchen-Truppe seien seiner Großmäuligkeit geschuldet. Gedankt wird ihm sein vorlautes Mundwerk vorwiegend von der Boulevardpresse und den diversen Fernsehsendern, denen im erbitterten Kampf um Einschaltquoten mittlerweile jeder Blödsinn recht ist.
Wahrlich, die Zukunft der höchsten deutschen Spielklasse sieht finster aus. Ein Mayer-Vorfelder, der schon seit Jahren als fleischgewordene Abseitsfalle des deutschen Fußballs durch die Gegend läuft, und ein Christoph Daum, dessen verbale Tiefflüge sogar einen Uli Hoeneß plötzlich sympathisch erscheinen lassen: bei solchen Hoffnungsträgern sollte man die Liga doch lieber gleich abschaffen.
Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen