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Die Oderbucht bleibt polnisch

Einigung zwischen DDR und Polen über Oderbucht / Jaruzelski in Ost-Berlin  ■  Aus Stettin Klaus Bachmann

Mit dem Freundschaftsbesuch des polnischen Staats- und Parteichefs Jaruzelski gestern in Ost-Berlin ging ein fast fünf Jahre dauernder Grenzstreit über die Oderbucht zu Ende, der lange Zeit das Verhältnis zwischen Polen und der DDR belastete. Bei dem Treffen unterzeichneten die Außenminister der beiden Länder ein bereits fertig paraphiertes Übereinkommen über die Hoheitsrechte in der Oderbucht. Wie aus Stettiner Unterhändlerkreisen zu erfahren ist, hat die DDR in den für Polen wichtigsten Fragen nachgegeben. Der Streit war 1985 ausgebrochen, nachdem die DDR einseitig ihre Hoheitszone in der Ostsee von drei auf fünf Seemeilen ausgedehnt hatte. Damit lagen zwei Ankerplätze und ein Teil der Schiffahrtsrinne zum Hafen Swinemünde (Swinoujscie) auf DDR-Hoheitsgebiet. Obwohl Polen protestierte, begannen DDR -Patrouillenboote polnische Schiffe zu schikanieren. Wie aus einer Stettiner Lokalzeitung hervorgeht, werden in dem nun unterzeichneten Dokument die polnischen Hoheitsrechte über die Hafeneinfahrt und die Ankerplätze in vollem Umfang bestätigt. Die Seegrenze der DDR wurde kurzerhand eine halbe Seemeile westlich der Schiffahrtsrinne verlegt, so daß nun die volle Souveränität Polens über die Stettiner Hafenzufahrt sichergestellt ist. Durchgesetzt hat sich Polen auch in der Frage des Kontinentalschelfes. Warschau war ursprünglich geneigt, dem DDR-Vorschlag einer Korridorlösung zuzustimmen. Damit wäre der Grund unter der Schifffahrtsrinne der DDR zugefallen, was bei eventuellen Schürfungen zu Störungen des Schiffahrtverkehrs hätte führen können. Nun bleibt auch der Grund der Schiffahrtsrinne in polnischem Besitz.

Nach dem Streit um die Oderbucht scheint sich bereits ein neuer Konflikt zwischen Polen und der DDR anzubahnen, und zwar um das nahe der Grenze gelegene DDR-Atomkraftwerk „Nord“ in Lubmin bei Greifswald, gegen das bereits schwedische Stellen beim DDR-Außenministerium Beschwerde eingelegt haben. Ein Bericht des 'stern‘ über fehlende Sicherheitsvorkehrungen bei Atomkraftwerken des sowjetischen WWER-440-Modells sorgte in Stettin für Aufregung. Bei einer Havarie würden radioaktive Dämpfe aus dem Primärkreislauf innerhalb kürzester Zeit Stettin erreichen. Ein Übereinkommen über gegenseitige Konsultationen in einem solchen Fall besteht jedoch nicht zwischen Polen und der DDR.

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