: Mikis und die Musenbremse
Das „Fiasko Papandreou“ macht Mikis Theodorakis das Komponieren unmöglich ■ Aus Athen Robert Stadler
Die Lage ist ernst. „Wir leben in einer Zeit, die zu den dunkelsten, geistfeindlichsten und elendsten unserer Geschichte gehört“ - der griechische Komponist und Kommunist Mikis meint die Ära Papandreou und ihre Skandale. Aber noch ernster ist etwas anderes: „Das erste Mal in meinem Leben ist es mir unmöglich zu komponieren.“ Was manchem Gegner musikalischen Pathos als frohe Botschaft erscheinen mag, ist für den Komponisten das letzte Mittel, den Abgang Griechenlands noch aufzuhalten. Der langjährige Abgeordnete der Kommunisten erklärte, daß nur eine absolute Mehrheit der konservativen Nea Demokratia Garant für die Katharsis des politischen Lebens sein könne.
Theodorakis als Wahlhelfer für die Rechte? Mikis sorgt für Überraschungen. Nicht allein, daß er die Einleitung zu einer Biographie des konservativen Parteiführers Mitsotakis verfaßte - nein, zu Ostern sah man die beiden auf Kreta, wo sie mit Kerzen in der Hand an der Karfreitagsprozession teilnahmen. In gemeinsamer Hoffnung auf Auferstehung? Gerüchte über weitergehende politische Ambitionen des Komponisten gehen um, zumal neun Monate nach den Parlamentswahlen am 18. Juni der Staatspräsident gewählt wird. Zeitungen munkelten bereits von Absprachen über einen gemeinsamen Kandidaten der Pasok-kritischen Linksparteien und der Konservativen: Theodorakis.
Neben dem Koskotas-Skandal ist der Hauptvorwurf Theodorakis‘ an Papandreou die „künstliche Aufrechterhaltung“ des Abgrunds zwischen den Bürgerkriegsgegnern von einst. Papandreou hatte 1985 die politischen Früchte des alten Konflikts mit dem Slogan geerntet: „Das Volk vergißt nicht, was die Rechte bedeutet.“ Mit einer ähnlichen Polarisierung versucht es Papandreou auch 1989, doch sieht er sich diesmal allein. Die Kommunisten und die „Griechische Linke“ (ERA) spielen nicht mehr mit. Bezeichnend für das Abbröckeln von bisher geltenden Regeln politischer Kultur war die von Mikis als „historisch“ bejubelte „Initiative der Vier“, bei der sich konservative und linke Opposition auf Wahlrecht und Neuwahlen einigten.
Die Wahlaufrufe für die Nea Demokratia sind nicht die ersten Oeuvres des Komponisten, die bei seinen Fans Kopfschütteln hervorrufen. 1974 attackierte man ihn, als er die Alternative „Karamanlis oder die Panzer“ aufmachte, 1988, als sich sein Verhältnis zu Papandreou für kurze Zeit wieder erwärmte, weil sich dieser mit der Türkei zu verständigen begann. Auch damals verband man die wiederentdeckte Liebe Mikis‘ zu Papandreou mit der Hoffnung auf ein Ministeramt.
Vorwürfen begegnet Theodorakis lyrisch: „Ich bin ein sensibles Pendel, das, fest auf seinem Platz, schwingt und sich bewegt, um die Zeiger voranzutreiben, die den Fortgang der Zeit anzeigen.“
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