: Großrazzia im Schatten der Ausgangssperre
■ Israelische Armee gab die Festnahme von 250 Mitgliedern der Fundamentalisten-Gruppe „Hamas“ bekannt / Israels Regierungsspitze wirbt um internationale Unterstützung für den Schamir-Plan / Festnahmen lenken vom Vorgehen in den besetzten Gebieten ab
Tel Aviv/Berlin (afp/taz) - Während Israels Regierungsspitze am Wochenende eine diplomatische Reiseoffensive startete, wurden bei einer der größten Razzien seit Beginn der Intifada nach Angaben der israelischen Armee ca. 250 Mitglieder der Fundamentalisten-Gruppe „Hamas“ festgenommen. Außerdem, so ein Militärsprecher, seien bei der Organisation „Mudschaheddin el-Falastin“ (Freiheitskämpfer für Palästina) 22 Waffen, größtenteils aus Beständen der israelischen Armee, gefunden worden.
Ministerpräsident Schamir traf am Sonntag abend in London ein, wo er bei Frau Thatcher für seine Initiative werben will, die u.a. die Wahl palästinensischer Delegierter für Gespräche über eine begrenzte Autonomie beinhaltet. Obwohl die britische Regierung wiederholt Israels Vorgehen in den besetzten Gebieten kritisiert und die Aufnahme direkter Gespräche mit der PLO gefordert hat, wird erwartet, daß Frau Thatcher den Schamir-Plan als positiven Schritt begrüßen und lediglich an Details mäkeln wird. Außenminister Ahrens traf mit ähnlichem Ansinnen in Brüssel ein, wo er die EG -Außenminister sah, Verteidigungsminister Rabin reiste in die USA.
Beobachter in Israel stellten den Coup gegen die Fundamentalisten von „Hamas“, die vor allem von der Bevölkerung im Gaza-Streifen massiv unterstützt werden, in Zusammenhang mit der diplomatischen Initiative der Regierung. Die Verhaftungswelle erfolge nicht zufällig zu einer Zeit, wo die äußerst harten Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete weltweit auf Kritik stoße. „Hamas“ nimmt eine militante Oppositionshaltung gegenüber der PLO ein, bestreitet das Existenzrecht Israels und wird von israelischer Seite für die in letzter Zeit häufiger beobachteten Morde an „Kollaborateuren“ verantwortlich gemacht. Zu den am Wochenende im Schatten der Ausgangssperre im Gaza-Streifen Festgenommenen gehört auch der spirituelle Führer und charismatische Gründer von „Hamas“, Sheikh Ahmed Yassin, der mit 53 Jahren an den Rollstuhl gefesselt, bereits 1984 wegen verschiedenen antiisraelischen Aktivitäten zu zwölf Jahren Haft verurteilt, jedoch im Rahmen eines Gefangenenaustauschs gegen israelische Soldaten wieder freigelassen worden war.
Amos Wollin
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