: Männerjustiz in Zypern: Vier Jahre Gefängnis
Notwehr gegen Vergewaltiger nicht anerkannt: Gericht behauptet Totschlag aus Rache / Zeitpunkt der Berufungsverhandlung ungewiß ■ Von Gunhild Schöller
Berlin (taz) - Knallharter Schuldspruch auf Zypern: Zu vier beziehungsweise drei Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags wurden die Berlinerinnen Ute (48) und Melanie Loh (21) verurteilt. Richter Mustafa Ozkök erkannte nicht an, daß die Frauen den Vergewaltiger von Melanie Loh in Notwehr umgebracht hatten. Die geringere Strafe für Tochter Melanie erklärte er mit ihrem noch jugendlichen Alter. Die Mutter Ute Loh erhielt zusätzlich drei Monate Freiheitsstrafe, weil in ihrem Zelt 55 Gramm Haschisch gefunden wurden. Die zweimonatige Untersuchungshaft wird angerechnet.
Die beiden Frauen waren Ende März von dem türkischen Zyprioten Özmen Tulga in ihrem Zelt am Strand überfallen worden. Er schlug Ute Loh bewußtlos und vergewaltigte Melanie Loh zweimal. Die beiden Frauen setzten sich zur Wehr - im Verlauf eines schrecklichen Kampfes, in dem sie schwer verletzt wurden, erdrosselten sie den Vergewaltiger mit seinem Gürtel.
Die Verteidiger Ali Dana und Sefika Durburan trugen gestern noch einmal vor, es habe sich um „exzessive Notwehr“ gehandelt. Das Gericht hielt jedoch an der Auffassung der Staatsanwaltschaft fest: Zur Abwehr der Gefahr sei es nicht nötig gewesen, Özmen Tulga zu töten. Nachdem er bereits geschwächt gewesen sei, hätten sie ihn im nachhinein aus Rache getötet. Die Verteidiger kündigten Berufung an.
Wann diese Verhandlung im türkischen Teil der Hauptstadt Nikosia stattfinden wird, ist derzeit noch offen. Dabei wird der Prozeß nach englischem Recht anhand der Protokolle noch einmal überprüft, neue Zeugenvernehmungen finden nicht Fortsetzung auf Seite 2
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statt. Falls die beiden Frauen bei dieser Verhandlung nicht freigesprochen werden, haben sie nach Auskunft der deutschen Botschaft im griechischen Teil Zyperns die Möglichkeit, ein Gnadengesuch an das Parlament des türkisch-zypriotischen Staats zu richten. Die Möglichkeiten, sich auf diplomatischem
Weg für Ute und Melanie Loh zu engagieren, sind eingeschränkt: der von türkischen Militärs okkupierte Nordteil der Insel ist völkerrechtlich nicht anerkannt.
Mit einer scharfen Stellungnahme auf das Urteil reagierte die Berliner Frauen- und Familiensenatorin Anne Klein (AL -nah), die zur Eröffnung des Prozesses nach Zypern geflogen war. In ihrer Urteilsschelte konstatiert sie, daß in Vergewaltigungsprozessen Frauen jahrelang
vorgeworfen worden sei, sie hätten sich nicht genügend gewehrt. Wenn Frauen sich nun wehrten, werde dies von „der Rechtsordnung“ nicht akzeptiert. Die Grünen in Bonn riefen als Reaktion auf das Urteil zum Tourismus-Boykott gegen den türkischen Teil Zyperns auf.
Briefe an: Ute und Melanie Loh, Embassy of FRG, Nikitaris Street 10, P. B. 1759, Nikosia, Cypern. Spendenkonto: Berliner FrauenfrAKTION Halina Bendkowski, Alexandra Goy, Stichwort Zypern. BfG Berlin, BLZ 100.101.11, Kto.-Nr. 1623.9990.00
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