: Warnstreiks im Einzelhandel
■ HBV fordert Festschreibung des Arbeitszeitendes / Arbeitgeber mauern / Urabstimmung erfolgreich
Berlin (taz) - Statt die Kassen klingeln zu lassen, traten zahlreiche Beschäftigte des Einzelhandels gestern in Warnstreiks. Die Beschäftigten der Karstadtfiliale in Düsseldorf-Oberbilk empfingen die Kunden am Morgen mit einem einstündigen „Tanz ums Kaufhaus“, um sie so „auf ihren Warnstreik einzustimmen“. Ebenso wie die Karstadtfiliale in Monheim blieb der Laden bis mittags dicht. Auch bei Horten und in den Filialen der Kaufhalle und des Kaufhofs in Neuss kam es zu Protestaktionen, in Bielefeld blieben Quelle und Horten vorübergehend geschlossen. In München traten bei Karstadt Beschäftigte in einen befristeten Warnstreik.
Mit diesen Aktionen soll den Arbeitgebern in den Tarifverhandlungen für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel auf die Sprünge geholfen werden. Neben Gehaltserhöhungen von sechs bis sieben Prozent und der Verkürzung der Wochenarbeitszeit fordert die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) insbesondere eine Absicherung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel um 18.30 Uhr und tarifvertraglich festgelegte Arbeitszeitregelungen für die große Zahl der Teilzeitbeschäftigten in diesem Bereich. Teilzeitbeschäftigte sollen demnach mindestens vier zusammenhängende Stunden täglich beschäftigt werden, die Arbeit auf Abruf per Telefon soll verhindert werden. Endgültig aus dem Ausbeutungsrepertoire der Arbeitgeber sollen zudem die sozialversicherungsfreien 450-Mark -Beschäftigungsverhältnisse. Per Tarifvertrag soll daher eine wöchentliche Mindesarbeitszeit von 20 Stunden festgelegt werden.
Ebenso wie die Deutsche Angestelltengewerkschaft hat die HBV ihre Mitglieder zu einer Urabstimmung aufgerufen. Die ersten Ergebnisse dieser Abstimmung, die am Montag begann und bis in die nächste Woche hinein fortgesetzt wird, fielen durchweg fast 100prozentig für Kampfmaßnahmen aus. Die Arbeitgeber schalten bislang auf stur und sagten Verhandlungstermine für Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ab.
Verhandelt wurde dagegen in Baden-Württemberg. Dort erklärten die Arbeitgeber nach Auskunft von HBV-Sprecher Eilrich, man könne nicht weiterverhandeln, solange nicht feststehe, wie die Entscheidung zum Dienstleistungsabend in Bonn ausfalle. Am 1. und 2. Juni findet im Bundestag die zweite Lesung des Ladenschlußgesetzes statt. Entsprechend gering ist die Neigung der Arbeitgeber, derzeit über eine Regelung zum Arbeitszeitende auch nur zu reden. Statt dessen will der Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern empfehlen, einseitige Tariferhöhungen von 3,6 Prozent vorzunehmen. Das Nettogehalt einer Beschäftigten im Einzelhandel beläuft sich nach sieben Berufsjahren auf ganze 1.516 Mark.
mai
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen