: 997 neue US-Raketen bis 1997
Aus Äußerungen des stellvertretenden US-Verteidigungsministers Barker vor dem US-Kongreß geht hervor: Die „Modernisierung“ der atomaren Kurzstreckenraketen bedeutet auch ihre Verzwölffachung ■ Aus Genf Andreas Zumach
Im Zuge der in der Nato derzeit heftig umstrittenen „Modernisierung“ atomarer Kurzstreckenraketen ist nicht nur die Beschaffung von Raketen mit einer - im Vergleich zur bisherigen Lance-Rakete - viermal so großen Reichweite sowie höherer Zielgenauigkeit und Zerstörungskraft geplant, sondern auch die Verzwölffachung der derzeit 88, vor allem in der Bundesrepublik stationierten Abschußgeräte für atomare und konventionelle Kurzstreckenraketen. Das geht aus Äußerungen des für die Atomwaffenplanung und -entwicklung zuständigen stellvertretenden US-Verteidigungsministers Barker hervor, die der British-American Security Information Council (BASIC) gestern veröffentlichte. Am 6. März dieses Jahres erklärte Barker in einer nichtöffentlichen Anhörung des Streitkräfteausschusses im US-Repräsentantenhaus, bis 1997 „sollten in Westeuropa 997 Mehrfachraketenwerfer (MARS) stationiert werden“. Barker sprach ausdrücklich nicht nur von entsprechenden Absichten der USA, sondern von „einem Plan der Nato“. Die Bundesregierung hatte bislang immer erklärt, daß im Bündnis bislang keinerlei Festlegungen hinsichtlich der „Modernisierung“ getroffen worden seien und daß alle konkreten Planungen und Vorbereitungen allein „nationale Angelegenheit“ der USA seien. Der MARS-Werfer wird derzeit in den USA sowie in Lizenz in Westeuropa produziert. „Alle diese 997 MARS-Werfer“, so der stellvertretende Verteidigungsminister, sollten nicht nur „zu einer verbesserten Fähigkeit“ des Bündnisses „beim Einsatz konventioneller Raketen beitragen“, sondern auch „die technische Fähigkeit zum Abschuß der Nachfolgewaffe der atomaren Lance-Rakete besitzen“. „Sämtliche MARS-Werfer“ seien „für die atomare Einsatzplanung vorgesehen“ und würden „damit als Abschußgeräte für Raketen mit atomarem Sprengkopf zur Verfügung stehen“, erklärte Barker. „Je größer ihre Zahl, desto höher ist ihre Überlebensfähigkeit“. Das sei notwendig „zur Erhöhung der Abschreckung“. Von außen soll nicht erkennbar sein, ob ein MARS-Werfer jeweils mit atomaren oder konventionellen Raketen bestückt ist. Bei Realisierung der Nato-Pläne müßten die Warschauer Vertragsstaaten also künftig von 997 bodengestützten atomaren Kurzstreckenraketen in Westeuropa ausgehen, so wie die Nato umgekehrt auch alle konventionell wie atomar einsatzfähigen SS-21-Systeme Moskaus als Atomwaffen zählt. Über die Zahl der neuen Raketen und atomaren wie konventionellen Sprengköpfe, die für MARS produziert werden sollen, äußerte sich Barker nicht. Es ist jedoch üblich, eine weit höhere Anzahl als die der Werfer bereitzuhalten, zumal wenn die Abschußgeräte - wie beim Lance-Werfer und bei MARS der Fall - nachladbar sind. So lagern für die derzeit 88 Lance-Abschußgeräte (davon 76 in der BRD) in Westeuropa 692 Raketen und rund 2.000 atomare wie konventionelle Sprengköpfe, außerdem 380 Neutronensprengköpfe in den USA.
Washington/Bonn (dpa) - Die US-Regierung ist mit Bonns Antwort auf die jüngsten US-Vorschläge zu Verhandlungen über die atomaren Kurzstreckenraketen in Europa offenbar noch nicht zufrieden. Sicherheitsberater Scowcroft deutete am Montag an, vor einer Einigung bleibe noch Arbeit. Siehe auch Kommentar auf Seite 8
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