piwik no script img

Grüne im Randbezirk

■ Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen zur Problembesichtigung in Blumenthal / Ortsamtsleiter mit Zeit, Bremer Baumwollkämmerei war aber nicht zu sprechen

Gastlich war die Atmosphäre nicht, die den BesucherInnen aus der fernen Bremer Bürgerschaft im vernachlässigten Stadtnorden bereitet wurde. Die Grüne Besichtigungstour nach Blumenthal begann mit einer Visite beim Ortsamtsleiter, in einem kärglich ausgestatteten Sitzungssaal mit Sozialamts -Durchgangsverkehr. Karl Lüneburg, der Hausherr, wird dies nicht als Gradmesser seiner Freude über diesen Besuch verstanden wissen wollen. Es waren eher die GRÜNEN, die sich nicht sehr wohl fühlten im Rathaus und später von einer „Märchenstunde“ sprachen. Unzufrieden waren sie mit dem gestandenen sozialdemokratischen Kommunalpolitiker, weil er die Chance nutzte, dem Zentrum mal die Probleme der Peripherie zu schildern. Wie city-zentriert doch der gestrenge Blick ist, demonstrierten einige MitarbeiterInnen der Fraktion. Das mitgebrachte Zahlenmaterial, gegen manch Lüneburg'sche These ins

Feld geführt, erwies sich stets als untauglich, weil für den gesamten Bremer Norden ausgelegt. Blumenthal ist nicht gleich Vegesack, das war zu akzeptieren. Zum ansatzweise seriösen Streit geriet das Gespräch einzig in Fragen der Verkehrspolitik. Ausbau der B 74 über Blumenthal hinaus bis zur Fähre Farge, so trug Lüneburg die lokalen Vorstellungen vor. Wohlwissend, daß die Grünen dem Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs das Wort reden.

Zu dem mit Spannung erwarteten Gespräch mit denen, „gegen die in Blumenthal kaum Politik gemacht werden kann (Lüneburg)“, kam es nicht. Die Bremer Baumwollkämmerei (BWK) lud die Bürgerschaftsfraktion zunächst einmal aus und erbat sich für einen neu anzusetzenden Termin die Teilnahme eines Vertreters der Umweltbehörde. Als „Retourkutsche“ werteten das manche, da werde heimgezahlt für die vielen Umweltauflagen

und -anfragen, die die GRÜNEN der luft-und wasserverschmutzenden Firma schon beschert haben.

Sanierungsgebiet Lüssumer Heide : die nächste Adresse bei der Stadtteilreise. Mit insgesamt 1,6 Millionen Mark wird ein Wohnumfeldverbesserugsprojekt in einem sozialen Brennpunkt finanziert. Das Land Bremen ist daran mit 600.000 Mark beteiligt. Drei Schwerpunkte (Verkehrsberuhigung, Umgestaltung der Hauseingänge und Freiflächengestaltung) haben sich die Sanierungsbeauftragten gemeinsam mit den BewohnerInnen vorgenommen. Zu sehen bekamen die grünen Parlamentäre und ihre MitarbeiterInnen allerdings nur Kosmetik. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Autoverkehrs fristen derzeit ein ödes Aktenleben in diversen Behördenschubladen. Die Hauseingänge sind heller geworden, aber nicht weniger beängstigend. Und bei der Freiflächenumgestaltung haben

sich die Wohnweltverschönerer auf Balkonpflanzen und Ziergärten beschränkt. Auf ausdrücklichen Wunsch der MieterInnen, die einen zu Geselligkeit, Spiel und Begegnung einladenden öffentlichen Raum vor ihren Haustüren energisch abgelehnt hatten.

Auf gesundheitspolitischem Gebiet allerdings hat der Stadtteil Blumenthal eine Besonderheit zu bieten, die ihresgleichen in Bremen und Umgebung sucht : die Praxisgemeinschaft Schwaneweder Straße und das Gesundheitszentrum Blumenthal. Als Einheit verstehen sich die 34 Beschäftigten nicht nur im räumlichen Sinne. Für diese Gegend mit einem stadtrandtypischen Sozialmilieu haben sie sich bewußt entschieden, um eine am Patienten orientierte Gesundheitspolitik, die auch in die politische Öffentlichkeit wirkt, mit denen zu praktizieren, die von medizinischer Versorgung in aller Regel nicht umworben werden.

anh

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen