: Der Fall des Hauses Carrington
■ Denver-Clan am Ende - Soap-operas leiden unter ZuschauerInnenschwund
New York (dpa) - Das (Saison-)Ende der Reichen und Schönen vom Denver-Clan ist schaurig: Die blonde Dulderin Krystle (Linda Evans) liegt ohnehin schon seit geraumer Zeit im Koma, jetzt bricht Blake Carrington (John Forsythe) von Polizeikugeln - mutmaßlich getötet - getroffen zusammen, Tochter Fallon (Emma Samms) sieht sich in einer unterirdischen Höhle einem mordlüsternen Irren gegenüber, und die Femme fatale Alexis (Joan Collins) stürzt vom Balkon. Mit diesem dramatischen Fall des Hauses Carrington verabschiedete sich vor zwei Wochen die US-Fernsehserie Dynasty (ZDF-bekannt als Denver-Clan) vom arg geschrumpften Häuflein ihrer Fans. Und es kann durchaus sein, daß der Clan, der in acht Jahren und 217 Folgen alle erdenklichen Intrigen und jegliche Fairnis überdauert hat, nie wieder aufersteht.
„Cliffhanger“ nennt man das hier im US-Gewerbe und meint damit die Kunst, die letzte Saisonfolge einer Serie so spannend zu gestalten, daß die ZuschauerInnen beim Wiederbeginn im Herbst wieder dabei sind, um zu erfahren, wie sich ihre Helden aus der mißlichen Lage retten. Aber diesmal besteht der „Cliffhanger“ nicht in der Frage, ob Blake und die Seinen noch einmal davonkommen, sondern darin, ob die unter aktutem Zuschauermangel leidende Serie überlebt. Die Fernsehgesellschaft ABC räumt ein, daß die Existenz der Carringtons auf der Kippe steht, will aber erst Ende Mai verraten, ob es eine weitere Saison für die Reichen und Ruchlosen gibt.
Die Aussichten stehen schlecht. Dynasty, das Paradebeispiel für die Gattung der Luxusseifenoper, vor vier Jahren noch Nummer eins in den USA, ist auf Platz 45 abgerutscht. Allein in der jetzt zu Ende gegangenen Saison hat der ränkeschmiedende Denver-Clan, der auch in der Bundesrepublik immer weiter absackt, acht Millionen ZuschauerInnen verloren, 27 Prozent seiner Fan-Gemeinde. Nun sind die restlichen rund 22 Millionen ZuschauerInnen zwar immer noch eine beachtliche Zahl, aber bei Dynasty wie bei den anderen Glitzersoaps kommt erschwerend hinzu, daß sie außergewöhnlich teuer sind. Eine Denver-Episode Geldadel verpflichtet - kostet ABC rund 1,3 Millionen Dollar. Durch Werbespots aber kommen, wie das 'Wall Street Journal‘ kürzlich berichtete, nur etwa 1,1 Millionen Dollar herein.
Die Carringtons sind nicht allein mit ihren Schwierigkeiten. Das ganze Genre der Seifenopern alten Stils leidet seit einigen Jahren schon unter galoppierendem ZuschauerInnenschwund, und ein Ende ist nicht abzusehen. Dallas, mit zwölf Jahren und über 300 Episoden die Großmutter unter den Soap-operas, verlor in dieser Saison mehr als zwei Millionen ZuschauerInnen und krebst bei einer Einschaltquote von 15 Prozent der US-Haushalte herum, von den Weinpanschern im Falcon Crest wandten sich mehr als drei Millionen Zuschauer ab.
Reich ist out auf dem amerikanischen Fernsehschirm. Luxuslimousinen und Seidenroben zählen nicht mehr, Amoral und Ranküne langweilen nur noch. „Wir haben es einfach satt, Shows über reiche Leute anzuschauen, während die wirtschaftliche Lage viele belastet“, deutete Meredith Berlin, Chefredakteur des Fachorgans 'Soap Operas Digest‘, den Trend.
Während die zunehmend jegliche Vernunft beleidigenden Kabalen der Reichen und Schönen bei immer mehr ZuschauerInnen Gähnen erregen, erfreuen sich neue Serien über die alltäglichen Probleme von Allerweltsfamilien regen Zuspruchs: Thirtysomething etwa, die Geschichte einer Gruppe von Edel-Yuppies aus der '68er-Generation, die in die Jahre kommen und ausdauernd die damit verbundenen Probleme diskutieren, oder Roseanne, die Komödie aus dem Arbeitermilieu, die ganz an der Spitze der Zuschauergunst steht, obwohl ihre Heldin mindestens so viel wiegt wie Krystle und Alexis zusammen.
Nicht nur die frischere Konkurrenz macht den Ölbaronen in Dallas und Denver zu schaffen, sie leiden nach Hunderten von Folgen spürbar auch unter einem verständlichen Ideenmangel ihrer AutorInnen. Wen soll Alexis auch noch heiraten, wie viele Totgeglaubte und Scheintote sollen noch überraschend auftauchen, welche Krankheiten sind noch nicht abgehakt? Kaum ein Trick des Gewerbes, der in Dallas und Denver nicht schon ausprobiert wäre. Und geschlafen hat, wie eine Zeitung schrieb, ohnehin schon nahezu jeder mit jedem.
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