: Begehrte Quadrateter in Borgfeld
■ Noltenius-Park: Feuchtbiotop oder „Wümmepark“ / Baugesellschaft möchte 13 Häuser zwischen alte Eichen Stellen Bewohner fürchten „Baum ab“ durch „Domino-Taktik“ / Bremer Bank hat sich zurückgezogen
Borgfeld: die Luft ist gut, das Laub ist grün, es gibt eine Dorflinde und ein Schützenfest, eine Wümme und ein Feuchtwasserbiotop, einen Supermarkt und ein Lokal „Landwirtschaft“, und all das liegt in Stadtnähe. Folge: so mancher begehrliche Blick ruht auf jedem bebaubaren Quadratmeter Borgfelds.
In Borgfeld, zwischen Katrepeler Landstraße und Wümmewiesen, liegt ein Kleinod, das nach dem früheren Besitzer, einer der Bremer Familien, Noltenius-Park genannt wird. Ein Biotop - dicke Eichen, Linden, Birken, Rhododendren, Waldohreulen, Spechte, Libellen. Und bei Hochwasser braucht man Stiefel, weil die Wümme bis hierher ihr Bett verläßt. Die Borgfelder Chronok weiß zudem zu berichten, daß der Noltenius-Park denselben Schöpfer wie der Bürgerpark hat, Wilhelm Benque.
Weil es immer wieder Ideen gab, wie der Park gewinnträchtig zu nutzen wäre, beschloß die Bürgerschaft 1986 einen Bebauungsplan, um das Verhältnis zwischen Kapital-und Umweltinteresse einmal festzuklopfen. Eine
Grundflächenzahl von 0,15 wurde Gesetz, d.h. bis 15% der Gesamtfläche dürfen bebaut werden. Dabei zählen kurioserweise Garagen und Asphaltwege als „Grünflächen“. Die Intention dse Bebauungsplans erläuterten Begleittexte: maximal drei Villen sollten auf Lichtungen entstehen, der Charakter des Noltenius-Parks sollte erhalten, das Biotop geschont werden.
Seit sechs Wochen steht am Park ein Schild: eine Firma Lanfermann plant ebendort eine Wohnanlage mit dreizehn Einzelhäusern und verheißt exklusives Wohnen im schicken Wümme-Park. Kuriosität Nr.2: laut Baubehörde entspricht das Vorhaben trotzdem dem Bebauungsplan, da die Begleittexte zum Plan keinen Gesetzescharakter haben, der Park also beliebig gesplittet werden darf.
Jetzt gibt es eine Bürgerinitiative in Borgfeld aus Anliegern und Baumschützern, die den Park retten wollen, lauter feine Leute, wie sie dort halt residieren, entrüstet, entschlossen. Gestern abend fand eine Parkbegehung statt mit Gesetzesübertretung („Zutritt
verboten“), und siehe da, die projektierten Grundstücke sind bereits abgesteckt, die Bäume durchnummeriert und teilweise angebohrt, in einem steckt noch der abgebrochene Bohrer drin. Und oben, ganz hoch im Geäst klopft der Specht.
Im Gemeindesaal stellen sich
Herr Lemmer von der Baubehörde und Herr Blank (Landschaftsplanung, Eingriffsregelung) dem siezigköpfigen Protest. Befürchtet wird der Verlust des gesamten Baumbestandes; zunächst werden kranke - im Behördendeutsch „abgängige“ - Bäume gefällt. (3.Curiosum: Der
Gutachter, der auf „abgängig“ erkennt, ist Herr Heinrich von der Firma Peppler, welchselbige die Rodungs-und Gartenarbeiten ausführen soll.) Schwere Baumaschinen, Aufschüttungsmaterial und Grundwasserabsenkung schädigen über die Wurzeln die übrigen Bäume. Den Rest erledi
gen spätere Bedrohungen durch fallende Äste, feuchte Hauswände, u.s.f.: das Domino-Prinzip.
Die Behördenvertreter lassen durchblicken, daß sie mit der exzessiven Auslegung des Bebauungsplans durch den neuen Eigentümer Stubbermann / Wollborn / Lanferman nicht einverstanden sind (Lemmer:„ein sehr unintelligenter Antrag“), und daß seitens der Umweltschutzbehörde mit einer Flut von Auflagen zu rechnen sei. Selbstredend wollen sie sich nicht festlegen, und hier spielt offenbar eine dräuende Entschädigungsforderung eine Rolle; wenn die Behörde das Vorhaben des jetztigen Eigentümers hintertreibt, stehen Regressionsansprüche in sechsstelliger Höhe ins Haus. Tiefes Mißtrauen der BürgerInnen ist angebracht; sie wollen auf kein politisches Druckmittel verzichten und alle Rechtswege nutzen, um das Projekt zurückzustutzen auf drei Villen in schattiger Wohnlage.
Das Verhalten der gegenüber anrüchigen Geschäften mimosenhaften Geldinstitute darf als Indiz gewertet werden; die Bremer Bank hat sich als Finanzier von dem Vorhaben bereits zurückgezogen.
Burkhart Straßmann
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