Was sagte Oliver Tambo wirklich?

■ Und was will 'ap‘? / ANC-Chef dementiert Verzicht auf Sanktionen gegen Südafrika / „Wir brauchen Sanktionen mehr denn je“ / Nachrichtenagentur 'ap‘ entschuldigt sich

Berlin (taz) - Hätte die Meldung gestimmt, es wäre ein Sensation - im negativen Sinne - gewesen: Die Rede ist von einer am Dienstag über die US-Nachrichtenagentur 'ap‘ gesendeten Äußerung des ANC-Präsidenten Oliver Tambo, wonach dieser ein Ende der Sanktionen gegen Südafrika wolle. Tambo sagte demnach vor Journalisten in der nigerianischen Hauptstadt Lagos, Sanktionen hätten lediglich die Wirkung, Südafrika an den Verhandlungstisch zu bringen und zu einer Reform statt zu einer Aufgabe des Apartheidregimes zu zwingen. Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) wolle jedoch keine Reform von Apartheid, sondern deren Zerstörung. Tambo habe eine neue internationale Kampagne seiner Organisation angekündigt mit dem Ziel, „den Druck von Südafrika zu nehmen, die bisherigen Sanktionen aufzuheben und mit Sicherheit keine weiteren Sanktionen zu verhängen“. Es sei wichtig, die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft auf eine Zerstörung des Apartheidsystems zu richten und nicht die Leute an den Verhandlungstisch zu bringen.

Im Büro der Anti-Apartheid-Bewegung in Bonn war man am Mittwoch der Ansicht, daß es sich hier um eine falsch wiedergegebene Äußerung des ANC-Chefs handele, die politischen Gegnern von Boykottmaßnahmen zupaß käme. Mindi Msimang im Londoner ANC-Büro sagte, die Meldung sei „nicht richtig“. Man versuche, Tambo zu erreichen, um den genauen Wortlaut zu erfahren, denn eigentlich wisse der genau, was er sage. Auch Toni Seedat vom ANC-Bonn meinte, die „Meldung ist falsch“. „Unsere Außenpolitik basiert auf diesem Boykott. Das ist unsere Position, der Boykott ist eine prinzipielle Sache.“ In der deutschen Botschaft in Pretoria hatte der stellvertretende Botschafter Born von der Meldung gehört, wollte aber, da der Wortlaut nicht vorliege, „mangels Kenntnis“ nichts sagen.

Das tat dann Oliver Tambo am Mittwoch abend selbst. Er dementierte. „Das könnte ich niemals gesagt haben“, erklärte er gegenüber 'ap‘ in Nairobi. „Ich weiß nicht, wo diese Geschichte herkommt. Auf jeden Fall brauchen wir Sanktionen mehr denn je.“ Südafrika müsse sowohl an den Verhandlungstisch gebracht als auch veranlaßt werden, seine Politik der Rassentrennung aufzugeben. „Wenn es der Zweck von Sanktionen ist, die südafrikanische Regierung an den Verhandlungstisch zu bringen, dann müßten sie aufgehoben werden, sobald Verhandlungen begonnen haben“, sagte Tambo. „Das ist es, was der ANC nicht will. Daß die Leute Sanktionen nur als Waffe ansehen, um Südafrika zum Verhandeln zu zwingen.“ Ziel sei auch die Abschaffung der Apartheid.

Gestern mittag schickte die Agentur dann eine formale Entschuldigung und nannte die Dienstagsmeldung eine „Fehlinterpretation“. Hier der genaue Wortlaut:

„Am Dienstag hatte 'ap‘ Tambo dahingehend zitiert, der ANC plane eine neue Kampagne mit dem Ziel, 'den Druck auf Südafrika aufzuheben, die Sanktionen aufzuheben und sicherlich keine weiteren Sanktionen zu verhängen‘. Tambo bezog sich aber mit diesem Kommentar auf südafrikafreundliche Kreise, die sich darum bemühten, den Druck auf Pretoria abzubauen. Er meinte damit nicht den ANC.„

Andrea Seibel