Ramstein-Tribunal: Die SPD kneift

Wegen der Kommunalwahlen im Saarland und in Rheinland-Pfalz unterstützen Sozialdemokraten das Ramstein-Tribunal kaum  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Oskar Lafontaine versprach „ideelle und materielle Unterstützung“. Doch einen Redner will der Bundesvorstand der Sozialdemokraten am 13. August, dem Tag des Tribunals wider das Vergessen, nicht nach Ramstein schicken - angeblich aus Terminnot.

Von politischen Hintergründen sprachen hingegen die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe des Tribunals am Mittwoch in Rammstein. Der Katastrophe zu gedenken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen - dieses Anliegen des Tribunals sei den Sozialdemokraten vor den Kommunalwahlen im Saarland und in Rheinland-Pfalz am 18.Juni wohl zu heikel. Der vermutete Grund: Die örtliche SPD wolle es sich nicht mit den WählerInnen verderben, die auf den US -amerikanischen Militärflughäfen in der Region arbeiten. Bestätigt wird diese Annahme wohl von den wenigen Sozialdemokraten aus den Ortsvereinen rund um Ramstein, die sich in der Vorbereitungsgruppe engagieren. Sie berichteten auf dem Treffen der Initiativen am Mittwoch von „enormen Schwierigkeiten“ in den Ortsverbänden. Das Thema Ramstein -Tribunal sei dort ein „Tabuthema“.

Halten der Bundesvorstand der SPD und die Landesvorstände in Saarbrücken und in Mainz an ihrer Linie des Fernbleibens fest, wird sich das Tribunal aus VerteterInnen der Grünen und unabhängigen Prominenten wie etwa Robert Jungk oder Walter Jens als Jurymitglieder zusammensetzen.

Massiv Front gegen die Veranstaltung macht die Junge Union Kaiserslautern: nichts anderes als ein „Schauprozeß“ sei dieses Tribunal, das überdies in „faschistischer Tradition“ stehe. Die Jungunionisten kündigten eine Demonstration gegen das Tribunal und die geplante Demonstration der Initiative an.

Und auch die Gemeinde Ramstein mauerte: Das örtliche Bürgerhaus, das nach dem Willen der Vorbereitungsgruppe zum Gerichtssaal umfunktioniert werden sollte, war für den gewünschten Termin (26.August) angeblich schon belegt. Die Angaben der Gemeinde hielten einer Nachprüfung durch die Mitglieder der örtlichen Friedensinitiative „Mer schnappe nimmer“ allerdings nicht stand. Dennoch mußte der Termin um zwei Wochen vorverlegt werden, da zum 26.August auch „offizielle Gedenkfeiern“ zum Jahrestag des Absturzes der „Frecce Tricolori“ geplant seien.

Neben den Politikern und den anderen Prominenten werden auch Überlebende und Hinterbliebene der verbrannten Opfer der Ramstein-Katastrophe auf dem Tribunal sprechen.

Beim Treffen am Mittwoch erklärte die Mutter eines getöteten Jungen, daß sie bei der Übergabe der Leiche - „da ging es zu wie in einem Schlachthaus“ - festgestellt habe, daß ihrem Sohn die Zunge fehle: „Und die war bei dem Unglück nicht herausgerissen, sondern später sauber mit dem Skalpell abgetrennt worden.“ Berichte von Organdiebstählen in den Tagen nach der Katastrophe geistern seit Monaten durch die Lokalpresse der Pfalz.

Damit das Tribunal wider das Vergessen auch stattfinden kann, bittet die Vorbereitungsgruppe um Spenden unter dem Stichwort: „Wider das Vergessen - Aktionsgemeinschaft Flugkatastrophe Ramstein-Air-base 1988“ bei der Kreissparkasse Kaiserslautern BLZ 54050220, Konto-Nr. 108817305.