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„Uns bleibt kein anderer Weg“

Als die drei IG Metaller Willi Hoss, Hermann Mühleisen und Mario d'Andrea 1972 zum ersten Mal mit einer eigenen Liste neben der offiziellen IG-Metall-Liste zur Betriebsratswahl bei Daimler-Benz in Untertürkheim antraten, da erklärten sie dies den Metall-Kollegen im Betrieb auf einem Flugblatt mit der Überschrift: „Uns bleibt kein anderer Weg.“ „Wir sind nicht gegen die Gewerkschaften“, stellten die drei aktiven IG Metaller klar, „aber gegen diese Art von Demokratie.“

Die Forderung nach Verbesserung der innerbetrieblichen und innergewerkschaftlichen Demokratie, nach mehr Diskussionsbereitschaft und durchlässigerer Informationspolitik durch die betrieblichen und gewerkschaftlichen Funktionäre in Amt und Würden war von Anfang an das zentrale Anliegen der Gewerkschafter, die erstmals 1969 als „Gruppe Hoss/Mühleisen“ öffentlich aufgetreten waren. Mit gutem Grund.

Jahrzehntelang schon hielt die streng sozialpartnerschaftlich orientierte Betriebsrats-Clique um ihren ersten Vorsitzenden Hauff das gewerkschaftliche Geschehen fest im Griff und hütete dabei besonders sorgsam die Vergabe der Betriebsratsposten. Während die „Gruppe Hoss/Mühleisen“, später nach ihrer Betriebszeitung „Gruppe Plakat“ genannt, unterstützt von zahlreichen Mitgliedern im Betrieb die Aufstellung der IG-Metall-Liste zu den Betriebsratswahlen durch Wahl der Gewerkschaftsmitglieder forderte, behielt die IG-Metall-Betriebsratsriege dank ihrer weitreichenden Personalunion mit der Vertrauenskörper -Leitung die Vergabe der Listenplätze fest in der Hand.

Kollegen wie Hoss, Mühleisen und d'Andrea, die sich für eine offensive Interessenvertretung stark machten, hatten so nicht die geringste Chance auf einen auch nur annähernd aussichtsreichen Listenplatz. Nachdem sie noch 1969 auf die Aufstellung einer eigenen Liste verzichtet hatten und stattdessen die offene Auseinandersetzung in der IG Metall über demokratische Wahlverfahren verlangten, schafften sie 1972 über eine eigene Liste auf Anhieb den Sprung in den Betriebsrat und erhielten acht Sitze gegenüber 21 Sitzen der IG Metall. Die eingeklagte Debatte über das Wahlverfahren in den Reihen der IG Metall hatte nie stattgefunden, sondern war von den Betriebsratsfürsten in gewohnt wurstiger Manier vom Tisch gewischt worden. Im Gefolge ihres großen Wahlerfolgs wurden Willi Hoss und Hermann Mühleisen wegen „gewerkschaftsschädigendem Verhalten“ aus der IG Metall ausgeschlossen, Mario d'Andrea mit Funktionsverbot in der Organisation belegt. Ihren ersten Wahlerfolg konnte die Gruppe über die Jahre hinweg von Betriebsratswahl zu Betriebsratswahl stabilisieren. Ebenso wie bei den Wahlen 1984 erhielt sie bei den letzten Wahlen 1987 bei rund 3.000 Stimmen jeweils sieben Plätze im Betriebsrat gegenüber 20 Plätzen der IG Metall. In steter Regelmäßigkeit wurde die Kandidatur eines IG Metallers auf der Plakat-Liste mit dem Ausschluß aus der IG Metall wegen „gewerkschaftsschädigendem Verhalten“ bedacht. Und nicht nur bei Daimler setzte es Gewerkschaftsausschlüsse, sondern auch bei Opel Bochum, Ford Köln und der Bremer Vulkan Werft, wo sich in der ersten Hälfte der 70er Jahre ebenfalls IG Metaller nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit den betrieblichen Funktionären auf oppositionellen Betriebsratslisten zur Wahl stellten.

Genauso wie es Willi Hoss und Hermann Mühleisen, die heute nicht mehr im Betrieb sind, begonnen hatten, machen die Mitglieder der Plakat-Gruppe ihren Anspruch auf Information und lebendige Diskussion bis heute war. Regelmäßig kommen betriebliche Probleme in der Betriebszeitung 'plakat‘ zur Sprache, auch aus den Vorgängen im Betriebsrat macht die Plakat-Gruppe gegenüber der Belegschaft kein Geheimnis. Ihre Hoffnung, irgendwann einmal in die IG Metall zurückkehren zu können, gab die Gruppe nie auf. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen hatte sie dies in den 70er Jahren gar vor Gericht einzuklagen versucht. Ebenfalls ohne Erfolg. Immer wieder machten die Plakatler klar, daß sie auf gewerkschaftliche Stärke und nicht auf Spaltung setzen, und immer wieder stießen sie dennoch über die Jahre hinweg in der IG Metall auf Beton.

In einem ihrer jüngsten Rundschreiben klingt das Begehren der Gruppe auf Wiederaufnahme mittlerweile schon scharf resigniert: „Die Gruppe hat immer wieder erklärt, daß sie sich als gewerkschaftliche Gruppe versteht, und es wurde verschiedentlich von Gewerkschaftsseite betont, die Gruppe sei nicht gewerkschaftsfeindlich, sie vertrete in vielen Punkten konsequente Gewerkschaftspositionen.“

Doch eins hat sich mittlerweile doch verändert: In einer Zeit, in der die IG-Metall-Spitze längst erkannt hat, daß die politischen und betrieblichen Entwicklungen ein „Aufeinanderzugehen und eine neue Streitkultur“ immer dringlicher machen, fügt sich der Anspruch der Gruppe Plakat weitaus bruchloser in die gewerkschaftspolitische Landschaft, als es noch in den Hochzeiten verkrusteter Interessenvertretungspolitik der 70er Jahre der Fall war.

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