Scherf: Friedensangebot an Kita-Kinder

■ Jugend-Deputation beschloß zügigen Neuaufbau der Kindertagesstätte Thedinghauser Straße / Langfristige Behördenpläne zur Umwandlung des Jugendfreizeitheims bleiben vorerst in Schubladen

„Scherf hat uns echt geleimt.“ Stinksauer auf den Bremer Bürgermeister, ansonsten aber relativ gut gelaunt platzten gestern morgen Eltern und ihre Pökse Jugendliche und Mitarbeiter der Kindertagesstätte Thedinghauser Straße und des angrenzenden Jugendfreizeitheims in die Sitzung der Deputation für Jugendhilfe im 15. Stock des Tivoli -Hochhauses. Gut einen Monat nach dem Brand in der Neustädter Kita sollten die Deputierten sich nun endlich zu akzeptablen Übergangslösungen für die 132 durch den Brand obdachlos gewordenen Hort-und Kita-Kinder durchringen. Mit Transparenten, Flugblättern und selbstgebackenen „Kita -Plätzchen für Kita-Plätze“ versuchten die unerwarteten Gäste, der Entscheidungsfreudigkeit der Politiker auf die Sprünge zu helfen.

„Voll link“ an den bisherigen Verhandlungen zwischen Betroffenen und Senator nach Auffassung der Kinder und Eltern: Noch am letzten Dienstag hatte Scherf sie während einer hektischen Veranstaltung zwar seines Mitgefühls und unverzüglicher Behördenbemühungen um eine Lösung versichert, allerdings weitgehend im Dunkeln gelassen, wie die Pläne im einzelnen aussehen könnten. Insbesondere auf eine Frage hatte Scherf eine konkrete Antwort wohlweislich vermieden: Soll aus dem übergangsweise als Ausweichquartier für die Kita vorgesehen Jugendfreizeitheim unter der Hand eine Dauereinrichtung werden? Zwar wollen die Freizi-Jugendlichen den „heimatlosen“ Kita-Kindern bis zu den Sommerferien zwar gern Gastrecht in ihren Räumen gewähren. Bedingung allerdings: Der Senator soll schriftlich versprechen, daß die Jugendlichen in alle Räume zurückkehren können, sobald eine „Behelfs-Kita“ aus mobilen Containern errichtet worden ist, spätestens bis zu den Sommerferien.

Was Scherf den Betroffenen am Dienstag verschwieg: Spätestens seit Montag kursiert in seiner Behörde ein Plan, der die Befürchtungen der Jugendlichen voll bestätigt. Unter dem Stichwort „Perspektiven“ heißt es in der dreiseitigen Vorlage: „Parallel (zum Wiederaufbau der abgebrannten Kita, d. Red.) erfolgt die Umwandlung des Jugendfreizeitheims in der Thedinghauser Straße in ein Kinder-und Jugendhaus. Dort sollen dann perspektivisch drei feste Hortgruppen untergebracht werden.“ Außerdem soll das Freizi künftig auf seine Bühne verzichten, die zum „Clubraum“ umgebaut werden soll.

Auch den Deputierten lagen die Behördenpläne gestern offensichtlich noch nicht vor. CDU-Deputierte Silke Striezel konnte die protestierenden Sitzungsgäste zwar gestern nicht genug für „ihre Disziplin“ loben. Hoffnung auf eine Lösung in der Sache konnte die CDU-Politikerin den kleinen undd großen DemonstrantInnen allerdings nicht machen. Während die sozialdemokratischen Deputationsmitglieder sich in betreten -vornehmes Schweigen hüllten, platzte Striezel heraus: „Wir haben weder in unseren Sitzungsunterlagen noch auf unseren Tischen eine Diskussions-Vorlage gefunden. Ich bezweifele deshalb, daß wir heute überhaupt zu einer Entscheidung kommen können.“

Henning Scherf, hemdsärmlig und vor allem bemüht, die ohnehin stickige Luft des überfüllten Sitzungssaals vor ungebetenen Verbrauchern zu schützen: „Dann machen wir das eben mündlich. Trotz der „wirklich dramatischen Lage“ sei die Erarbeitungen von Lösungen nun mal ein „undendlich mühseliges Geschäft“, an dem die Behörde „unter großem Druck“ gearbeitet habe. Daß ihm das mögliche Ergebnis schon seit Anfang der Woche vorlag, unterschlug Scherf

vorsichtshalber auch jetzt noch.

Nach dreistündiger Diskussion, bei der die Politiker wieder ganz unter sich waren, einigten sie sich denn schließlich ddoch

auf einen „friedensstiftenden Kompromiß“ (Scherf), den alle tragen können und der - vorerst - keinem weh tut: Einstimmig - nur die FDP enthielt sich - be

schlossen die Deputierten den „zügigen Wiederaufbau“ des KTH Thedinghauser Straße. Bis das neue Gebäude fertig ist, sollen alle fünf Kita-Gruppen in mo

bilen Fertigräumen (Containern) untergebracht werden. Plätze hierfür sollen „alle erreichbaren Grundstücke“ auf ihre Eignung untersucht werden. Erst wenn alle anderen Stricke reißen, soll das Freizeitheim seinen Bolzplatz für die Container zur Verfügung stellen. Die Freizi-Räume selbst brauchen die Jugendlichen vorerst jedenfalls nicht an die Kleinen abzutreten.

Allerdings: Eine Entscheidung über die langfristige Zukunft des Freizeitheims sparten die Deputierten gestern ausdrücklich aus. Damit bleibt der Weg frei für Scherfs Pläne, das Freizi langfristig in ein Jugend-und Horthaus umzuwandeln.

Versöhnt mit ihrem Senator zeigten sich nach der Sitzung die Eltern und Vertreter der Mitarbeiter: Die jetzt beschlossene Regelung sei ein akzeptabler Kompromiß. Auch die Jugendlichen, die ihr Freizeitheim seit Dienstag sicherheitshalber besetzt hielten, hoben die Besetzung vorerst auf. Zwei Monate wollen sie dem Senator Zeit geben, in die Pötte zu kommen. Wenn nicht, wird wieder besetzt.

K.S.