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Leuchttafel Ku-Damm Ecke Cafe Kranzler

■ Lyrik von Enzensberger

Am Ku-Damm-Eck auf Berlins Prachtstraße genau gegenüber dem Cafe Kranzler gibt's zwei riesige Leuchttafeln - 10 mal 15 und 10 mal 10 Meter groß. 'Lettre International‘ bietet dort von 24 bis 6 Uhr - Samstags und Sonntags erst ab 2 Uhr

-Lyrik. Hans Magnus Enzensberger hat zwanzig Gedichte ausgewählt. William Carlos Williams‘ Pflaumengedicht gehört dazu, Brechts „Gründungssong der National Deposit Bank“ und Robert Gernhardts Zeilen „Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer./ Das Häßliche erfreut durch Dauer.“ Die klammheimliche Hoffnung, bei Zeilen wie „Was soll denn das heißen,/ gegen deine Brüste!/ Warum zeigst du dann/ deine Gefühle nicht?/ Faß mich doch an,/ solang ich noch da bin./ Ich faß dich ja an,/ aber nicht auf Kommando.“ (Nicanor Parra) würde es - mindestens - zu Verkehrsstaus kommen, hat sich nicht erfüllt. Lyrik ist - jedenfalls im Breitwandformat - nicht systemsprengend. Schön ist sie trotzdem und daß man zwischen Pollenflug und Weltnachrichten erfährt, daß „die von der Liebe Enttäuschten“ (Carlos Drummond de Andrade) sich eine Kugel durch die Brust schießen, die eine, das ist fast ebenso schön.

Die Zusammenstellung ist an einer Stelle ganz wunderbar geglückt. Da folgt auf Jandls „Calypso“ ein Gedicht von Orhan Veli Kanik im Original. Nach „yes yes de senden/ mi across de meer/ wer ich was not yet/ ich laik du go sehr“ folgt „Her gün bu kadar güzel mi bu deniz?“ Als argloser Gedichtegucker jandlte ich erst einmal weiter und erst bei Zeile zwei war mir klar, daß gegen Türkisch kein lautes Sprechen half. Mir blieb die Sache unverständlich.

Enzensbergers Auswahl ist die des Museums der Modernen Poesie. Ein paar Extreme täten der Sache gut. Deftigeres auf der einen und Pathetischeres auf der anderen Seite. Oder beides zusammen. Überhaupt: Balladen. Blut und wiehernder Rosse Getrabe. Action antik. Oder doch wenigstens Herders Edward-Variante. Aber Thalmeyr und 'Lettre International‘ werden's schon richten. Für Anfang Juni ist arabische Literatur vorgesehen und danach gibt es einen Zyklus mit Berlin-Gedichten, die sich zum Teil auf genau den Platz beziehen, an dem sie jetzt leuchten sollen.

A.W. Foto: Stephan Doblinge

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