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Hauptsache, die Kasse klingelt

Lebensgefahr als gewinnträchtiges Medienereignis  ■ K O M M E N T A R

Seitdem die Mauer das Stadtbild verunstaltet, hat es eine Vielzahl von Versuchen gegeben zu beweisen, daß die Grenzanlagen überwindbar sind. Was sich jedoch am vergangenen Wochenende zwei Männer leisteten, um ihren Bruder per Ultraleichtflugzeug in den Westen zu befördern, stellt selbst die Geschäftstüchtigkeit der gerissensten Fluchthelfer in den Schatten: Sie sorgten für eine Videokamera und rechneten mit der Sensationsgeilheit der Boulevardpresse, einen Exklusivbericht von der Flucht zu bekommen. Sie kalkulierten richtig: Um die Aktion publikumswirksam zu dramatisieren, fliegt das Trio nicht den schnellsten und sichersten Weg zurück. Die Brüder landen statt dessen publicity- und symbolträchtig vor dem Reichstag. Die Zeitschrift 'Quick‘ entschädigt die mediale Schützenhilfe der Geschwister, die eine „totale Dokumentation“ der Flucht geliefert haben, mit einer sechsstelligen Summe.

Unklar bleibt, inwieweit das Klatsch- und Tratschmagazin 'Quick‘ schon vorab von der Fluchtaktion gewußt hat. Wenn der Redaktionssprecher Christian Seidel erklärt, daß er deshalb keine Auskunft geben könne, weil sich die 'Quick‘ strafbar mache, wenn sie die Mittwisserschaft bei einer Fluchthilfeaktion zugäbe, dann bedarf es in dieser Angelegenheit keiner weiteren Fragen. Was sind schließlich schon ein paar hunderttausend Märker für eine Exklusivstory mit Aussicht auf Steigerung der Auflage? Einziger Aufwand bei derartigen Deals: Es müssen die Stuntmen gefunden werden, um die Geschichte mit Leben - oder, wenn es schief geht, mit Toten (echten auf Video!) - zu füllen. Akteure zu finden, das hat sich jetzt bewiesen, scheint nicht weiter schwierig zu sein. Hauptsache, es guckt jemand hin, und weil das hier so ist, läßt sich auch ein überflüssig lebensgefährliches Abenteuer dieser Art vermarkten, das regeln allein Angebot und Nachfrage.

Christine Berger

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