piwik no script img

Ein Mann will nach oben

Der Hagener Tennisprofi Karsten Braasch versucht sein Glück bei den heute beginnenden French Open  ■  PRESS-SCHLAG

Qualifikationsturnier für die „German Open“ am Hamburger Rothenbaum. 56 Tennisprofis, meistens Jungtalente oder alternde Stars, wie der Neusser Andreas Maurer, spielen am Wochenende vor dem eigentlichen Turnier sieben freie Plätze für das Hauptfeld aus. Mit dabei auch Karsten Braasch aus Hagen. Allerdings wie schon so oft ohne Erfolg. Bereits die erste Quailifikationsrunde am Samstagvormittag ist für ihn Endstation.

Karsten Braasch ist einer der zahllosen jüngeren ehrgeizigen Tennisprofis und zieht seit zwei Jahren rastlos umher, um in den Club der Exklusiven Einzug zu halten. Dieser beginnt für alle Unternehmer in Sachen Racket und gelbem Filzball so bei Platz 100 der Weltrangliste. Denn unter den „Top Hundred“ plaziert, hat jeder Profi die Möglichkeit, an fast allen Turnieren ohne kräfteraubende Qualifikation teilzunehmen.

Der 21jährige Westfale hat sich im Frühjahr aus der Versenkung der seitenlangen Zahlenkolonnen der inzwischen weit über 1.000 Namen der Weltrangliste emporgespielt. Nach zweimaligem Blättern entdeckt man Karsten Braasch, der seit seinem achten Lebensjahr Tennis spielt, an 212. Stelle. Ende des Jahres lag er noch auf dem 351. Platz.

Die bisher größten Erfolge des Karsten Braasch, der sich 1987 nach dem Abitur endgültig entschied, Vollprofi zu werden, liegen nur wenige Wochen zurück. Im März erreichte er bei den Challengerturnieren in Heilbronn und Troia (Portugal) jeweils das Halbfinale. In Troia konnte er sein bisher größtes Preisgeld, genau 3.975 Dollar, abkassieren.

Karsten Braasch betreibt seinen Beruf aufgrund fehlender Finanzkraft immer noch sehr unprofessionell. „Ich bin alleinreisender Tennisprofi. Einen Trainer habe ich nicht und kann ich mir momentan auch keinen leisten. Trainingspartner und -plätze muß ich mir selbst besorgen“, beschreibt der Linkshänder seine im Vergleich zu den Großen der Branche wenig konkurrenzfähigen Voraussetzungen. Ohne das Monatsgehalt seines Hagener Vereins könnte er kaum weitermachen.

Da geht bei der Konzentration auf die Organisiererei schon mal einiges in die Hose. Eine zweite Reise nach Portugal endete mit einem finanziellen Fiasko: „Ich bin zweimal in der ersten Runde ausgeschieden. Im Einzel gab es dafür nichts, im Doppel immerhin noch 238 Dollar. Bei 1.200 Dollar Flug-, Unterkunft- und Schlägerbespannungskosten kam ein ganz schönes Minus zustande.“

Aus Hamburg reiste Karsten Braasch ab, als Lendl, Becker und Co. gerade anfingen, den für sie läppischen 692.000 Dollar-Preisgeldtopf auszuspielen. Auch bei den Grand Slam -Turnieren in Paris, das heute beginnt, und Wimbledon versucht er sein Glück. „128 spielen jeweils 16 Hauptfeldplätze aus. Vielleicht klappt es ja wie Anfang Mai in München“, ist der junge Mann („Eigentlich fühle ich mich nach zwei Jahren Herumreiserei schon als alter Sack.“) mit dem rasanten Drei-Tage-Bart zuversichtlich.

Spielmöglichkeiten gibt es für Tennisprofis genug. Neben den 78 Grand Prix-Turnieren in 22 Ländern werden noch an die hundert Challenge- und Satellitenturniere veranstaltet.

Karsten Braasch konzentriert sich voll auf seinen Beruf. „Ich habe keine Zeit, mich im Ausland ausreichend über Dinge wie Atomrüstung und Kernenergie zu informieren“, weicht er der Frage, ob er sich auch einmal mit gesellschaftlichen Problemen beschäftigt, aus. Daß er mal in Südafrika spielt, will er nicht ausschließen. „Wenn ich auf einen Schlag 50 Plätze in der Weltrangliste nach oben käme, würde ich es machen. Bei einigen Grand Prix-Turnieren müßte ich dann nicht mehr in die Qualifikation“, bekennt er ehrlich. „Obwohl ich gegen die Apartheid bin“, fügt er hinzu.

Die Erfolgsaussichten überlagern die ihm anzumerkenden moralischen Vorbehalte. Die Verlockung ist einfach zu groß. Zudem übernehmen die Südafrikaner häufig sogar die Flugkosten. Die Dollar-Millionäre der Branche wie John McEnroe tun sich da leichter mit ihrer Boykottentscheidung.

Karl-Wilhelm Götte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen