Karrierefrauen und das Mammi-Gleis

Für die Top-Posten sei sie nicht geeignet, aber für das mittlere Management: die Frau mit Familienorientierung Die These einer US-amerikanischen Publizistin schlug in der Öffentlichkeit wie eine Bombe ein  ■  Von Monika Bäuerlein

Bezahlter Mutterschaftsurlaub, Gleitzeit, Job-sharing - das sind für viele US-amerikanische Mütter nach wie vor Fremdwörter. Doch der Druck auf Arbeitgeber und Politiker wächst, je mehr Frauen sich im Spagat zwischen Beruf und Familie befinden. Besonders im Topmanagement suchen Arbeitgeber nach Wegen, hochqualifizierte Managerinnen zu halten - wenn's sein muß, sogar mit „familienfreundlichen Arbeitsplätzen“.

Die Debatte um Beruf und Familie ist in letzter Zeit wieder besonders heftig aufgeflammt. Den Zündstoff lieferte eine feministische Wirtschaftswissenschaftlerin. „Frauen im Management sind teurer als Männer“, erklärte die Autorin Felice Schwartz kurz und bündig in einem Artikel in der 'Harvard Business Review‘, der bei Kollegen und Kommentatoren wie eine Bombe einschlug.

Es gibt zwei Sorten Frauen, schrieb Schwartz: die „karrierreorientierten“ und die „karriere -/familienorientierten“. Erstere seien ideal für den „fast track“, das Expreßgleis mit 120-Stundenwoche zur Spitze; letztere eigneten sich hervorragend fürs mittlere Management, wo sie durch flexible Arbeitszeit mehr Zeit für ihre Kinder hätten.

Kaum war der Artikel publiziert, hagelte es begeistertes Lob und wütenden Protest. Ein Manager einer New Yorker Handelsfirma dankte Schwartz dafür, daß sie ausgesprochen habe, was „wir schon lange wußten, aber nie zu sagen wagten. Frauen sind schwieriger zu halten als Männer, und das liegt an ihren Mutterinstinkten.“

Andere, vor allem Frauen, beschuldigten Schwartz, Frauen auf ein „Mammi-Gleis“ abstellen zu wollen. „Statt Schwesternschaft kriegen wir jetzt - von einer Frau - wieder die Peitsche des Wettbewerbs: Entweder du schuftest dich tot, oder du kannst deine Karriere vergessen“, schrieb die 'Washington Post'-Kolumnistin Abigail Trafford.

Zwar sind Frauen im amerikanischen Management stärker vertreten als anderswo in der industrialisierten Welt, doch nach wie vor stoßen viele von ihnen in ihrer Karriere gegen eine „Glasdecke“. 40 Prozent aller Managerinnen sind Frauen; in den allerobersten Etagen sind es nach wie vor nur fünf Prozent. Karen Bohn ist eine der wenigen, die es bis ganz nach oben geschafft haben: Sie ist Personaldirektorin bei einer Investfirma in Minneapolis. „Wenn ich Leuten vorgestellt werde und und die hören, daß ich zwei Kinder habe, sind sie immer ganz geschockt. Wie um alles in der Welt haben Sie denn das geschafft, fragen die mich.“

Geschafft hat es Bohn mit einigen Opfern. Ihre Firma erlaubt es weiblichen Angestellten, während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung als „zeitweilig behindert“ bis zu sechs Wochen zu Hause zu bleiben. Doch dieser Urlaub ist unbezahlt, und häufig nicht einmal Urlaub. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes ließ sich Bohn einen Computer ins Wohnzimmer bringen, stellte einen Botendienst ein, und legte weiterhin 40 Stunden pro Woche für die Firma hin. Fotos aus dieser Zeit zeigen sie mit Telefonhörer am Ohr und Baby an der Brust.

Nicht alle Frauen haben den Luxus eines Heimbüros. Nancy Gleason, die bei derselben Investfirma als Sekretärin arbeitet, ist nach der Geburt ihres Sohnes gerade vier Wochen zu Hause geblieben; einen längeren Verdienstausfall konnte sie sich nicht leisten. Als sie nach einem Monat wieder zur Arbeit kam, spürte sie, daß es zu früh war: „Ich war einfach noch nicht über den Geburtsstreß weg. Ich war dauernd müde, ich wollte wieder weg.“

Für viele Arbeitgeber ist Urlaub - auch Elternurlaub - nach wie vor ein Luxus, wenn nicht eine Sünde. „Unsere Betriebe sind nach wie vor auf ein Familienbild aus den fünfziger Jahren eingestellt - Frau zu Hause, Vater arbeitet Vollzeit“, schimpft die Kongreßabgeordnete Pat Schröder. Dabei lebt nur noch ein Fünftel aller Amerikaner in traditionellen Kleinfamilien; die meisten Eltern arbeiten und viele erziehen alleine. Kein Wunder, daß der Ruf nach Elternurlaub, Kindertagesstätten, Gleitzeit und Job-sharing immer lauter werden.

In einem Land, das Sozialleistungen wie die der Bundesrepublik als „Sozialismus“ abtut, haben solche Vorschläge politisch einen schweren Stand. Doch langsam gewinnen sie an Boden. Präsident Bush hat für Familien mit Kindern einen „Tagesstättenzuschuß“ von 1.000 Dollar angekündigt, gerade genug für fünf bis zehn Monate Krippe. Pat Schröder kämpft im Kongreß für ein Gesetz, das alle Betriebe zwingen soll, wenigstens unbezahlten Mutterschaftsurlaub einzuführen.

Die Wirtschaft sträubt sich gegen solche Verordnungen: „Ich glaube, damit drehen wir den kleinen Betrieben den Hals ab“, erklärte ein Wirtschaftssprecher vor dem Kongreß. „Wir sollten das den einzelnen Firmen überlassen.“ Manche Firmen haben tatsächlich weitreichende Familienpläne eingeführt, vom einjährigen Elternurlaub bis zur kostenlosen betriebseigenen Tagesstätte. Doch sie zählen zu den Ausnahmen.

Das größte Hindernis für familienfreundliche Arbeitsplätze bleibt das amerikanische Karrierreethos: Wenn du was werden willst, mußt du arbeiten bis zum Umfallen. Diese Vorstellung, Karriere sei wichtiger als Familie, muß sich bei Frauen und Männern, ManagerInnen und PolitikerInnen ändern, meint eine Gegnerin des „Mammi-Gleises“. „Was wir brauchen sind nicht familienfreundliche, sondern menschenfreundliche Jobs.“