piwik no script img

2.000 ProtestradlerInnen am Schacht Konrad

Auf das Planfeststellungsverfahren für Europas größtes Atommüllendlager ist die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad gut vorbereitet / Für die AKW-Gegner steht fest: Konrad soll das Europäische Endlager werden / Hannovers SPD sagt weiter Ja  ■  Aus Salzgitter Jürgen Voges

Der Dorfsportplatz von Salzgitter-Bleckenstedt - ringsum Wiesen und Baumgruppen. Normalerweise erinnert hier nur der einen guten Kilometer entfernte Förderturm daran, daß unter der Erde Europas größtes Atommüllendlager entstehen soll. An diesen Samstagnachmittag jedoch säumen Anti-AKW -Transparente, Stände und Bierbuden das grüne offenbar wenig genutzte Fußballfeld, und in der Zufahrt zwischen Hunderten von Fahrrädern stehen die beiden gelben VW-Busse der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad, die den bekannten Förderturm mit der Aufschrift „Kein Atommüll in Schacht Konrad“ zeigen. Mit diesen beiden VW-Bussen wollte die Arbeitsgemeinschaft eigentlich ab dem heutigen Montag durch die Dörfer und Städte der Region Salzgitter/Braunschweig fahren und Einwendungen gegen das Atommüllendlager sammeln. Eine Zeitung für alle Haushalte der Region war zudem in Vorbereitung; an „8.000 Anti-AKW-Adressen“, so der Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft Dickel, „wollten wir die Vordrucke für die Sammeleinwendungen schicken“.

Doch dann hatte die Niedersächsische Landesregierung die Auslegung der Planfeststellungunterlagen für das Endlager kurzfristig abgesagt, und ein neues Motto mußte auch die „Sternfahrt zum Schacht Konrad“ bekommen, bei der am Samstag nachmittag immerhin noch 2.000 AKW-GegnerInnen aus der Umgebung, zum Großteil natürlich mit dem Fahrrad, zum Sportplatz von Bleckenstedt gekommen sind. Statt „Die legen aus - Wir legen los“ heißt es nun „Die verschieben - Wir bleiben wachsam“. - „Es gab für uns keinen Grund zur Verschiebung dieser Veranstaltung“, sagt denn auch die grüne Ratsfrau aus Salzgitter, Waltraut Gerke-Wittfoot, die nach Rockmusik „umsonst und draußen“ die Eröffnungsrede hält. Zwar glaubt die Grüne Ratsfrau, daß die Regierung Albrecht die entscheidende Phase des Planfeststellungverfahrens auch aus „wahltaktischen Gründen“ mit Blick also auf die Landtagswahl im nächsten Jahr verschoben hat. Doch die Aussetzung schaffe der Atomindustrie auch Luft, das Planfestellungsverfahren Schacht-Konrad an die neue Situation nach der Wackersdorf-Entscheidung anzupassen. Die neue Situation - das sei die Gefahr, daß „Gorleben und Schacht Konrad europäische Endlager werden“.

Die Befürchtung, daß Schacht Konrad zum Europäischen Atommüllzentrum ausgebaut wird, besteht bei den AKW -GegnerInnen vor Ort schon seit langem. Als vor zehn Jahren die Untersuchungen in der ausgedienten Eisenerzgrube begannen, sei zunächst nur von einem Endlager für schwachaktiven Atommüll die Rede gewesen, erinnert sich die zweite Rednerin, die Vorsitzende des Umweltausschusses der Gemeinde Lengede, Heike Makus, eine Sozialdemokratin. Nach den Planfestellungsunterlagen solle Schacht Konrad nun schon 95 Prozent allen Atommülls aufnehmen. „Bis heute sind allerdings in der BRD erst 30.000 Kubikmeter Atommüll angefallen“, sagt sie. In Schacht Konrad würde jedoch Endlagerraum für 650.000 Kubikmeter Müll geschaffen. Nur als europäisches Endlager sei die Anlage überhaupt rentabel zu betreiben und nach 1992 gäbe es auch für den Atommüll keine Grenzen mehr am europäischen Binnenmarkt.

Auch der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann, der am Samstag mit einer kleinen Delegation aus Lüchow-Dannenberg nach Salzgitter gekommen ist, schenkt den Zusicherungen der Landesregierung, in Konrad nur bundesdeutschen Atommüll einzulagern, keinen Glauben. Im Planfestellungsverfahren würden Sicherheitsfragen, aber nicht die Nationalität des Atommülls geprüft, sagt er. Das Argument des niedersächsischen Umweltministers Remmers, nur in der Bunderepublik konditionierter Abfall sei sicher und dürfe in Schacht Konrad eingelagert werden, ist für den Grünen -Abgeordneten „purer Unfug“. Schließlich stünden in La Hague Zehntausende von in Frankreich konditionierten Fässern mit Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente und warteten auf die Einlagerung in Salzgitter. Mit Grußworten der örtlichen 400 Mitglieder starken kirchlichen Friedensinitiative und des IG-Metall-Bevollmächtigten von Salzgitter, der immerhin 35.000 Mitglieder repräsentiert, ist am Samstag das Schacht-Konrad-Fest in Salzgitter -Bleckenstedt zu Ende gegangen. Viele SozialdemokratInnen vor Ort hat die Arbeitsgemeinschaft Schacht-Konrad schon für sich gewinnen können, doch die Bundes-SPD ist bis heute bei ihrem Ja und der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerhard Schröder bei seinem eingeschränkten Ja zu dem Endlager geblieben. Eine rot-grüne Koalition nach der nächsten Landtagswahl, so versicherte in Salzgitter Hannes Kempmann, werde es nur ohne das Endlager Konrad geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen