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Affe triumphiert über 129a

Posthume Schimpansenpower entscheidet alternative Fußballmeisterschaft / Grüne scheitern am Ozon  ■  Aus Köln Bernd Müllender

„Hrubeschs Enkel“ aus Essen machten sich, gemäß ihrem riesigen Transparent, „auf zum letzten Gefecht“. Mit „Tanz den Roten Stern“ motivierte sich ebenso plakativ eine Aachener Elf. Mit Blochs „Prinzip Hoffnung“ wollten Kölner Kicker den Ball ins Tor hineinphilosophieren. Maradonesk agierte die „U 40“ aus Nürnberg, die in Originaltrikots des SSC Neapel antraten, alle mit der Nummer 10 auf dem Rücken. Und Partisan Eifelstraße aus Aachen, schon zweimal Zweiter bei Deutschen Alternativmeisterschaften, suchte den Erfolg über politische Rückennummern: 129a prangte da, und K14 und eine durchgestrichene 218.

Doch den Titel eines Deutschen Fußballmeisters konnte am Wochenende auf den Kölner Jahnwiesen, im Schatten der Flutlichtmasten von Müngersdorf, keiner von ihnen erringen. Denn da war der Affe Petermann vor. Jener „einzig wahre Anarchist und Freiheitskämpfer Kölns“, so Rainer Osnowski, der Teamchef von „Petermann Stadtgarten“. Bei der Eröffnungsfeier der 4. Meisterschaft der Szene-Bolzer wurde den 16 Teams aus zehn Städten per Video eindringlich vor Augen geführt, wer Petermann war: jener legendäre Schimpanse, der in den späten 50er Jahren in den Kölner Zoo kam, zum Karnevalsstar wurde und mit seinen Gagen bald der erste Affe weltweit mit eigenem Postsparbuch war.

Nach einem Vierteljahrhundert Gefangenschaft brach er im Oktober 1985 gemeinsam mit Lebensgefährtin Susi aus, griff die Wärter an, biß dem Zoodirektor einen Finger ab und konnte erst durch einen feigen Todesschuß von hinten gestoppt werden. Spätestens als er im Moment des gewaltsamen Ablebens die linke Faust in den Himmel reckte, wußte jeder, welch Geistes Kind der Affe wirklich gewesen war. Seine revolutionäre Kraft war während des gesamten Turniers zu spüren und führte die Kölner zu einem sicheren 2:1-Finalsieg gegen Lokalrivalen Prinzip Hoffnung.

Ohne einen Christoph Däumling sind Kölner Fußballtitel also doch möglich. Und mehr noch: „Wir fordern mit unserem Turniersieg“, so nachher der siegestrunkene Doppeltorschütze des Endspiels Osnowski, „alle Affen auf, ebenfalls auszubrechen.“ Petermann ging nur voran. Die Leistungsansprüche waren radikal unterschiedlich. Die elf Kölner Affenenkel besaßen trotz der umfangreichen Turnierorganisation genug Klasse zum Titel.

Dies lag neben einem hohen Spielniveau zur posthumen Ehre des Namensgebers an professioneller Vorbereitung: Niemand sonst hatte einen Vereisungsexperten dabei, ein solches Kontingent an kräftigendem Bio-Joghurt und einen eigenen Video-Beobachter, und niemand hatte sich, was zuvor im Fernsehen übertragen wurde, mit psychogenem Unterbewußtseinstraining („Du und Dein Traumpaß“) vorbereitet. Allerdings hatten sich die Petermänner auch, maulten Kenner des alternativen Kölner Spielermarktes, die radikalsten Linksfüßler der Stadt abgeworben, vermutlich mit Freikarten auf Lebenszeit für das Kölner Affenhaus.

Bei soviel eigenem Ehrgeiz kam es zu kleineren fußballogischen Planungsfehlern im Turnierverlauf, weil einige Teams zweimal gegeneinander antreten mußten. Hin und Rückspiel direkt nacheinander, das wurde als böser Mayer -Vorfelderismus gegeißelt. Zudem nannte Titelverteidiger Petermann sein Turnier dreisterweise 2. Meisterschaft und ignorierte dadurch zwei vorhergegangene Turniere, bei denen sie nicht aufs höchste Treppchen gedurft hatten.

Alle hatten geglaubt, die Bundestagself der Grünen werde kurzfristig absagen. Schließlich hatten ihre Parteifreunde aus NRW in der Woche zuvor eine Absage des Bundesligaspiels Köln gegen München wegen der Gesundheitsgefährdung durch zu hohe Ozonwerte empfohlen. Dann kamen die „Grüne Tulpe“ doch, um sich, wie es ihr Mittelstürmer Markus Kurdziel ausdrückte, „im Selbstversuch gegen die Warnungen unseres sportpolitischen Sprechers“ zu agieren.

Man sei „klarer Favorit auf den letzten Platz“, ganz unten wollte man sich plazieren: „Zurück zur Basis, um anderen das Gefühl zu vermitteln, daß die Grünen noch etwas geben können.“ Doch gegen „Vorwärts Koz“ aus Stuttgart gelang ein nicht geplanter Sieg und so wurde es Platz 15. Ob es am stimulierenden Ozonschub lag, werden die Flügelkämpfe der nächsten Wochen zeigen.

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