: In Upington leben Schwarze besonders schlecht
Hohe Arbeitslosigkeit und strikte Einhaltung der Apartheid kennzeichnen die Lebensbedingungen in dem südafrikanischen Ort, in dem 26 Schwarze für die Ermordung eines Polizisten verantwortlich gemacht werden / Parallelen mit den „Sharpeville Six“ ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Upington ist eine Wüstenmetropole, die größte Stadt in der Kalahariwüste. Der Ort, in dem letzte Woche 14 Schwarze für den Mord an einem schwarzen Polizisten zum Tode verurteilt wurden, ist allerdings nicht nur geographisch isoliert. Auch die vorsichtige Abschaffung einzelner Aspekte der Rassentrennung, die anderswo in Südafrika stattfindet, hat Upington nicht erreicht. Nur ein Restaurant gewährt auch schwarzen Gästen Eintritt, eines der beiden Hotels am Ort bleibt für Weiße reserviert. Als vor einiger Zeit erstmals Schwarze zu einem Gottesdienst in die „weiße“ Kirche kamen, protestierten Gemeindemitglieder gegen die „Kaffern in der Kirche“.
An dem Verfahren gegen die 26 Einwohner des Schwarzenghettos von Upington, Paballelo, haben die Weißen in der Stadt höchstens Interesse, weil sie sich durch die zahlreichen, vor dem Gericht versammelten Familienmitglieder der Angeklagten belästigt fühlen. Die übrigen zwölf Angeklagten sollen diese Woche verurteilt werden. „Um ehrlich zu sein - es war eben nur ein schwarzer Polizist, der ermordet wurde. Deshalb kümmern die Leute sich nicht darum“, meint Douglas Jones, Chefredakteur des Lokalblattes 'Die Gemsbok‘.
Kein Wunder, daß es Schwarzen in Upington auch wirtschaftlich besonders schlecht geht. Die Arbeitslosigkeit liegt über 30 Prozent, und diejenigen, die Arbeit haben, verdienen meist weniger als das offizielle Existenzminimum von monatlich 500 Rand (etwa 375 Mark). Als sich Proteste gegen solche Lebensbedingungen 1985 in ganz Südafrika ausbreiteten, formierte sich auch in Paballelo der Widerstand. Eine Jugendorganisation wurde gebildet, die am 10.November 1985 zu einer Großversammlung aufrief, bei der gegen hohe Mieten und schlechte Schulen protestiert wurde. Nach der Versammlung kam es zu Konfrontationen mit der Polizei, bei der eine schwangere Frau erschossen wurde. Daraufhin dauerten die Proteste bis zum 13.November an. An diesem Tag wurde der Polizist Lucas Sethwala von einer großen Menschenmenge aus seinem Haus gejagt und ermordet. Seine Leiche wurde angezündet. 26 Einwohner von Paballelo wurden dafür vor Gericht gebracht. Nur einer von ihnen, Justice Bekebeki, soll direkt für den Mord verantwortlich sein. Den anderen wird als Mitgliedern der 300köpfigen Menschenmenge die „gemeinsame Absicht“ zum Mord vorgeworfen. Das genügt, um sie zum Tode zu verurteilen. Der Fall der „26 von Upington“ hat direkte Parallelen mit dem Fall der „Sechs von Sharpeville“, die ebenfalls für den Mord eines „Kollaborateurs der Apartheid“ zum Tode verurteilt wurden. Nach massiven internationalen Protesten wurden die „Sechs“ letztes Jahr begnadigt und die Todesstrafen in lange Haftstrafen umgewandelt. Die Begnadigung der „Sechs von Sharpeville“ war Teil eines Tauschgeschäftes, bei dem zwei weiße ehemalige Polizisten, die für den Mord an Schwarzen hingerichtet werden sollten, ebenfalls begnadigt wurden. Dabei wurde einerseits auf den Druck von Anti-Apartheid -Gruppen, andererseits auf Proteste aus rechten Kreisen Rücksicht genommen.
Eine ähnliche Möglichkeit bietet sich im Fall der „26 von Upington“, nachdem letzte Woche der Neonazi Barend Strydom für den kaltblütigen Rassenmord an acht Schwarzen zum Tode verurteilt wurde. Ultrarechte Gruppen haben schon mit einer Kampagne für Strydoms Begnadigung begonnen. Sie könnten erheblichen Druck auf die Regierung ausüben, vor allem, da im September in Südafrika gewählt wird. Anti-Apartheid -Führer warnen jedoch vor einem solchen Tausch. „Eine solche juristische Akrobatik ist nicht angebracht, wenn es um Menschenleben geht,“ meint Dr.Beyers Naude, Ex -Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates. Naude setzt sich für die vollkommene Abschaffung der Todesstrafe ein. „Für die Kirche ist alles Leben von Gott gegeben“, heißt es in einer Erklärung des Kirchenrates. „Auch die Gerichte sollten kein Leben nehmen können.“ Das gilt auch für einen kaltblütigen Killer wie Strydom.
Für Brian Currin, Direktor der „Rechtsanwälte für Menschenrechte“, ist Strydom ein „Frankenstein“, der vom Apartheidsystem geschaffen wurde. „Strydom kann nichts dafür, daß er in dieses System geboren wurde und daß er von Anfang an durch seinen Vater, seine Schule und seine Regierung indoktriniert wurde“, sagt Currin. „Es ist kaum zu glauben, daß die Regierung, die mit ihrer rassistischen Politik die Gedanken von Millionen von Südafrikanern vergiftet hat, sich jetzt das Recht nimmt, eines ihrer eigenen Opfer hinzurichten.“
Der Widerstand gegen die Todesstrafe in Südafrika zeigt indessen Erfolge. Zwar wurden letzte Woche wieder fünf Menschen in Pretoria hingerichtet. Doch dieses Jahr wurden mit bisher 26 Hinrichtungen weit weniger Menschen offiziell getötet als zuvor. 1987 lag die Zahl bei durchschnittlich 14 Exekutionen monatlich, 1988 wurde das Todesurteil 117mal vollstreckt.
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