: „Quellensteuer-Verzicht gefährdet die Demokratie“
Hickel: Bonn will wieder Rechtsbruch akzeptieren / Heute Anhörung im Bundestag ■ Von Ulli Kulke
Rudolf Hickel, Mitglied der Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik („Memorandum“) sieht in der geplanten Abschaffung der Quellensteuer mehr als nur einen finanz oder wirtschaftspolitischen Fehlgriff der Bundesregierung. In seinem Statement zur heutigen Anhörung des Bundestags -Finanzausschusses sieht der Bremer Professor „Probleme demokratiegefährdender politischer Legitimität“. Der Grund: „Die ursprüngliche Grauzone des Steuerrechts“ werde dadurch wieder hergestellt, und in der Logik der Begründung für diesen Schritt sieht Hickel darin auch die Absicht Bonns. Das Bundesfinanzministerium wolle nämlich damit erklärtermaßen den inländischen Kapitalmarkt durch die Rückführung der quellensteuerbedingten Auslandsanlagen wieder stärken. Dies mache jedoch nur Sinn, wenn „der faktische Verzicht auf die Deklarierung der Zinserträge im Rahmen der Einkommensbesteuerung unterstellt“ wird - und zwar widerrechtlich. (Zur Erklärung: Die sogenannte Quellensteuer ist keine neue Steuer; es handelt sich vielmehr um ein besonderes Steuer-Einzugsverfahren, wobei die Steuern auf diejenigen Zinserträge gleich an der Quelle
-der Bank - an den Staat abgeführt werden, die ansonsten freiwillig versteuert werden müßten.) Die politische Legitimität sieht Hickel nun darin gefährdet, daß „die Lohnsteuer voll an der Quelle erfaßt“, während „die Besteuerung der Zinserträge trotz einiger Vorkehrungen letztlich den Dispositionen der Steuerpflichtigen übereignet“ werde - und dabei handelt es sich im Schnitt schließlich um die Erträge der Begüterteren im Lande. Wenn die Bundesregierung mit ihrem Rückzieher das ins Ausland geflohene Kapital wieder hereinholen wolle, so bedeute dies, daß „willentliche oder auch unbeabsichtigte Steurhinterziehung“ auch künftig hingenommener Tatbestand der Steuerpraxis bleibe.
Diese Ungleichbehandlung von Einkommensgruppen werde noch dadurch verstärkt, daß nun gleichzeitig wieder der halbe Steuersatz bei der Veräußerung von Gewinnen aus Unternehmensverkäufen beschlossen wurde, und nicht mehr wie ursprünglich im Zuge der Steuerreform entschieden - ab drei Millionen Verkaufsgewinn der volle Steuersatz gelten soll. „Demgegenüber bleibt es bei der Einschränkung von Steuervorteilen für Arbeitnehmer/innen“, etwa Begrenzung der Steuerfreiheit für Zusatzleistungen bei Sonn-, Feiertags und Nachtarbeit und der Streichung der steuerfreien Essenszuschüsse, wird Hickel heute den Gesetzgebern kritisch vortragen.
Auch er sieht den bundesdeutschen Kapitalmarkt „durch die Ankündigung der Quellensteuer belastet“. Die ausländischen Kapitalanlagen vor allem in Form festverzinslicher Wertpapiere seien „netto von 35 Milliarden Mark 1987 auf 1,9 Milliarden Mark im vergangenen Jahr zurückgegangen“ (netto: Überschuß der hereinkommenden über die hinausströmenden Gelder). Wenn die Bundesregierung darin jedoch eine Ursache für die hohen bundesdeutschen Zinsen von sieben Prozent sehe, so liege sie falsch. Dahinter stecke vielmehr die erklärte Politik der Bundesbank, „zu starke Zinsvorsprünge des Auzslands abzubauen“, um die Tendenz zur DM-Abwertung zu unterbinden (höhere Zinsen im Ausland führen zur Abwanderung von Kapital, damit zur Schwächung der Nachfrage nach DM und mithin ihres Wechselkurses).
Hinsichtlich seiner abschließenden Forderungen bemerkt Hickel, daß eine „wichtige Voraussetzung“ zur Liberalisierung der europäischen Kapitalmärkte die Angleichung der Kapitalertragssteuern wäre. Ansonsten schlägt er vor, Zinserträge durch die Banken in Höhe von 25 Prozent automatisch besteuern zu lassen, wobei der Sparerfreibetrag von 600/1.200 (Alleinstehend/Verheiratet) auf 4.000/8.000 Mark angehoben werden müsse. Alleinstehende könnten demnach Zinserträge aus Wertpapieren mit mehr als 66.000 DM steuerfrei kassieren. Dies werde der heute breiten Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gerecht, und würde zumindest bis zu dieser Höhe steuerbedingte Kapitalabwanderungen unterbinden.
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