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In El Salvador übernimmt die extreme Rechte die Macht

Morgen tritt Alfredo Cristiani die Nachfolge von Präsident Duarte an / Die rechtsextreme Arena hat eine Mehrheit im Parlament, kontrolliert Justiz und Presse und hat die Militärs auf ihrer Seite  ■  Aus San Salvador Ralf Leonhard

Seinen politischen Polterabend feiert Alfredo Cristiani, der morgen in El Salvador seine Präsidentschaft antreten wird, bei einem Abendessen mit den Freunden von den Privatunternehmerverbänden der zentralamerikanischen Nachbarn und - als einzigen Gästen außerhalb der Region Chiles. Das Modell der Pinochet-Diktatur soll dem neuen El Salvador in mehr als einer Hinsicht als Vorbild dienen. Eine Reihe von chilenischen Wirtschaftsberatern, die wohl bald als „Santiago-Boys“ bekannt sein werden, sollen die Ökonomie nach Jahren der staatlichen Interventionspolitik unter den Christdemokraten auf eine neoliberale Linie trimmen. Das vermutet Jose Antonio Morales Ehrlich, der bis zum vergangenen Wochenende Generalsekretär der Christdemokratischen Partei war und als ehemaliger Landwirtschaftsminister etwas von der Materie versteht. Die Reprivatisierung des Außenhandels und des Bankwesens ist fester Bestandteil des Regierungsprogramms. Aber auch vom faschistischen Gesellschaftsmodell wollen sich die Arena -Leute einiges abspicken. Vizepräsident Francisco Merino, der zur Stahlhelmfraktion des Ex-Majors und Arena-Gründers Roberto d‘ Aubuisson gezählt wird, hat bereits die Einrichtung eines umfassenden Spionagenetzes und eines Informationsbüros angekündigt, wo jeder Staatsbürger verdächtige Zeitgenossen denunzieren kann. Ein Mann, der im Dezember von der Armee von Zacatecoluca, etwa 50 Kilometer südöstlich der Hauptstadt, als Spitzel eingesetzt wurde, lehnte diese Aufgabe ab und klagte sein Leid der Kirche. Kurz darauf wurde er mitsamt seiner Frau und seinem Sohn von Soldaten abgeführt und ermordet. In San Salvador wurde vor wenigen Wochen die erste Einheit einer „Patriotischen Zivilverteidigung“ vereidigt - eine paramilitärische Truppe aus rechtsextremen Intellektuellen und Studenten, die eine Art ideologische Kontrolle ausüben wollen. In Bildungszirkeln studieren Jugendliche faschistische Theorie und Geschichte, und die blutrünstige Parteihymne - „Freiheit wird mit Blut geschrieben / El Salvador wird das Grab der Roten werden“ - wird zunehmend auch auf Familienfeiern abgesungen.

Der letzte Schritt zur totalen Machtübernahme

Arena, eine Partei, die vom großen Kapital und von ehemaligen Militärs kontrolliert wird, übernimmt morgen die Regierung und damit auch die letzte der drei politischen Gewalten. Seit dem Vorjahr hat sie bereits im Parlament die Mehrheit und stellt zwei Drittel der Gemeindevertretungen; der Generalstaatsanwalt und der Präsident des Obersten Gerichtshofes sind Arena-Vertrauensleute. Die wichtigsten Zeitungen sind schon lange in der Hand von Arena -Sympathisanten. Die kleine Tageszeitung 'Diario Latino‘, die gelegentlich unabhängige Positionen vertrat, wird jetzt von Großunternehmern aufgekauft. Die Übernahme der Exekutigewalt durch Cristiani und sein Kabinett ist der letzte Schritt zur totalen Machtübernahme. Arena tritt an, die Wirtschaft zu sanieren und den Krieg zu gewinnen.

Um schnell genug zum Ziel zu kommen, will die neue Regierung nicht nur mit militärischen, sondern auch mit juristischen Mitteln operieren: Gewerkschaften müssen damit rechnen, daß ihnen die Rechtspersönlichkeit aberkannt wird, befürchtet Gerardo Diaz, der Generalsekretär des linken Arbeiterdacherbandes Fenastras. Reynaldo Blanco, der Chef der nichtstaatlichen Menschenrechtskommission CDHES, vermutet, daß bald Gesetzeslücken geschlossen werden, die die Armee an beliebigen Festnahmen hindern: „Demnächst wird vielleicht schon der Besitz von Eisenstangen strafbar sein.“ Die Massenorganisationen, die mit der FMLN sympathisieren und von der Rechten als reine Tarnorganisationen der Guerilla betrachtet werden, sollen zerschlagen oder zumindest paralysiert werden. Die Repressionswelle der letzten Wochen, in denen die alte Regierung sich nicht mehr verantwortlich fühlte und die neue noch nicht formal zuständig war, dürfte ein Vorgeschmack auf Bevorstehendes gewesen sein. Es gibt keine linksgerichtete Gewerkschaft oder Volksorganisation, deren Lokal nicht von Uniformierten belagert oder durchsucht worden wäre, kaum eine, die nicht die Festnahme und Mißhandlung von Mitgliedern zu beklagen hätte. Allerdings wollen sich die Gewerkschafter nicht einschüchtern lassen. Hector Bernabe Recinos, der bis 1985 einer der prominentesten politischen Gefangenen war und vor wenigen Monaten erst aus dem Exil zurückgekehrt ist, arbeitet an der Koordination aller Massenbewegungen und sucht nach neuen Formen, der Repression zu begegnen.

Option Vernichtungskrieg

Daß bei der Kriegführung in Zukunft noch weniger Rücksicht auf Menschenrechte genommen wird, dürfte beschlossene Sache sein. Vizepräsident Merino hat der Armee bereits versprochen, daß die Regierung die Verunglimpfung der Streitkräfte nicht zulassen würde. Öffentliche Klagen über Übergriffe der Armee sollen zum Delikt werden. „Damit wollen sie uns an den Leib rücken“, glaubt Reynaldo Blanco. Zumindest die Stahlhelmfraktion der Partei, die enge Beziehungen zur Armee pflegt, will einen sechsmonatigen Vernichtungskrieg führen und dabei auch 40.000 zivile Opfer in Kauf nehmen, wenn damit die Guerilla endgültig besiegt werden kann. Dies bestätigen mehrere Quellen, die Zugang zu Arena-Strategen haben. Diese sind der Meinung, daß die USA ihnen die Massaker nachsehen werden, wenn sich die Erfolge einstellen. Schließlich fragt in Guatemala auch keiner mehr nach den Methoden, mit denen Anfang der achtziger Jahre ein scheinbar unvermeidlicher Sieg der Guerilla vereitelt worden war. Allerdings hat die Armee in der FMLN einen Gegner, der sich bisher jeder Veränderung in der Kriegführung anzupassen verstand, und der seit mehr als acht Monaten die militärische Initiative innehat. Außerdem ist der Einfluß der US-Regierung auf die Armeeführung zu groß. Und der Kongreß, der die Gelder bewilligen muß, steht Arena skeptisch gegenüber.

Politiker von der marxistischen UDN bis zur Christdemokratie bezweifeln daher, daß Cristiani zuwege bringen kann, was der nun abtretende todkranke Präsident Napoleon Duarte in fünf Jahren mit all der Unterstützung der USA nicht geschafft hat. Die Arena-Regierung wird trotz des eindrucksvollen Wahlsieges eine schwache sein. Das Kabinett, dessen endgültige Zusammensetzung Cristiani in seiner Antrittsrede am 1.Juni vorstellen wird, besteht aus Leuten zweiter und dritter Kategorie. Denn von den Wunschkandidaten des Präsidenten haben die meisten dankend abgelehnt. Cristiani wollte eine Reihe hochgradiger Unternehmer, die schließlich den Wahlkampf finanziert hatten, in die Regierung berufen. Diese lehnten aber dankend ab, da sie als Minister nur einen Bruchteil dessen verdienen würden, was sie als Wirtschaftsbosse heimbringen. Daß auch das Angebot von Zusatzgehältern durch die Unternehmen keinen Meinungswandel herbeiführte, legt nahe, daß die Vorbehalte der Oligarchen nicht nur pekuniärer Natur sind. Schließlich waren sie jahrzehntelang gewohnt, daß die Regierung sowieso in ihrem Interesse wirtschaftete, ohne daß sie sich selbst in die Niederungen der Politik begeben mußten. Für das Außenministerium war kein Mann von internationaler Statur zu gewinnen: der Schriftsteller Daid Escobar Galindo winkte ab. Auch die Besetzung des Verteidigungsministeriums erwies sich als äußerst heikel. Erwartungsgemäß bot Cristiani den Posten dem Luftwaffenchef General Bustillo an, einem Mann der schon lange den totalen Krieg fordert. Doch bei einem Besuch des US-Südkommandos in Panama wurde der gewählte Präsident zurückgepfiffen. Die USA bevorzugten den gemäßigteren Generalstabschef Oberst Rene Emilio Ponce. Schließlich überließ es Cristiani dem Offizierskorps selbst, einen geeigneten Kandidaten zu designieren. Seit Tagen hält sich das Gerücht, daß der bisherige Vizeminister General Larios das Rennen machen wird. Ein relativ gemäßigter Mann, der nicht zu den Arena-Vertrauensleuten zählt und vermutlich nur für eine Übergangsperiode dienen wird. Bustillo sollte indessen sogar in Pension geschickt werden, wo er laut Heeresverfassung schon längst sein sollte. Doch der stramme General versetzte kurzerhand seine Truppen in Alarmbereitschaft und drohte mit der offenen Rebellion.

Die Miami-Gruppe

Cristiani wird von seinem Programm noch eine Menge Abstriche machen müssen, denn der Unternehmersproß, der es in erster Linie seinem gemäßigten Image dankt, daß er zum Kandidaten gekürt wurde, hat in der Partei keine eigene Hausmacht. Arena wird von der sogenannten Miami-Gruppe kontrolliert, also den Großunternehmern, die Teile ihres Kapitals in den USA investiert haben. Angeführt wird die Gruppe von Roberto d‘ Aubuisson, dem gründer der Todesschwadronen und Verantwortlichen für die Ermordung des populären Erzbischofs Arnulfo Romero im Jahr 1980. Zur Miami-Gruppe gehört auch der Vizepräsident und vermutliche Innenminister Francisco Merino. Erste Widersprüche zwischen den verschiedenen Interessensgruppen, die Arena an die Macht gebracht haben, sind in den letzten Tagen und Wochen bereits offen ausgebrochen. So fordern die Kaffeepflanzer die Aufhebung der zehnprozentigen Exportsteuer, die ihre Einkünfte empfindlich belastet. Ein Nachgeben würde Cristiani sofort in die Bredouille bringe, da ein Drittel des Staatshaushaltes aus dieser Abgabe gespeist wird. Noch mehr Umverteilung von Arm zu Reich wird sich das Land aber kaum leisten können. Denn wenn der lange schon überbewertete Colon abgewertet wird und die staatlichen Subventionen für Grundnahrungsmittel und öffentlichen Transport fallen, stehen massive soziale Unruhen ins Haus. Die Arena-Politik könnte dann tatsächlich eine Aufstandsstimmung schaffen, von der die FMLN schon so lange spricht.

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