: Nato-Kompromiß: Ein Sieg
■ Nato-Gipfel verständigt sich auf einen Formelkompromiß in der
Wenn nach einem monatelangen Gefeilsche zum Schluß jede Seite behauptet, sie hätte sich durchgesetzt, ist Mißtrauen geboten. Tatsächlich läßt der Raketenkompromiß von Brüssel sowohl Genscher als auch Thatcher die Möglichkeit, ihr Gesicht zu wahren. In der Sache haben sich die Bonner völlig dem guten Willen der US-Administration und letztlich auch Gorbatschows ausgeliefert'da der
Bonn (dpa/ap/taz) - Mit großer Erleichterung hat vor allem die FDP gestern den in Brüssel ausgehandelten Kompromiß zum Raketenstreit innerhalb der Nato kommentiert. Geradezu überschwenglich äußerte sich Bildungsminister Möllemann, der sich während des FDP-Parteitages besonders weit aus dem Fenster gehängt und mit dem Rückzug der FDP-Minister gedroht hatte, falls Kohl in Brüssel umkippt. Nun sei er heilfroh, das Ergebnis sei „völlig überraschend“.
FDP-Fraktionschef Mischnik sieht die beharrliche Verfolgung deutscher Politik im Bündnis belohnt und hofft nun auf schnelles, praktisches Handeln. Die Begeisterung über die wiedergefundene Einigkeit in der Koalition ließen gestern keinerlei kritische Stimmen bei den Liberalen zu. Dies blieb der Opposition vorbehalten, die sich in unterschiedlicher Schärfe zu dem Kompromiß äußerten.
Für die SPD begrüßte Vogel den Bush-Vorschlag im allgemeinen, verwies jedoch darauf, daß der Kompromiß erhebliche Diskrepanzen zur Beschlußlage der FDP aufweise. Weder könne von einem baldigen Beginn der Verhandlungen über den Abbau der Kurzstreckenraketen noch von synchronen Verhandlungen über konventionelle und atomare Waffen die Rede sein. Die Koppelung mit den Wiener Verhandlungen bedeute einen „zeitlichen Risikofaktor und gewährleiste nicht, daß uns die Stationierung neuer Kurzstreckenwaffen erspart bleibe.
Sein Stellvertreter Ehmke meinte, es sei „überoptimistisch“ innerhalb eines Jahres mit einem Verhandlungsergebnis in Wien zu rechnen. Allein die Vorbereitungen der Militärexperten zu Definitionsvereinbarungen bei Luftwaffe und Artillerie würde erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Sein Kollege Bahr hatte bereits tags zuvor mindestens zwei Jahre für einen Vertragsabschluß veranschlagt.
Die Grünen bezeichneten den Nato-Beschluß insgesamt als ein erneutes Zeichen für „altes Denken“ und alles andere als einen Kompromiß. Er ermögliche den USA mit Zustimmung der Nato die Entwicklung und Beschaffung der Lance -Nachfolgesysteme voranzutreiben und damit Fakten zu schaffen. Die Bundesregierung hätte lediglich erreicht, einen endgültigen Aufrüstungsbeschluß bis nach den nächsten Bundestagswahlen zu verzögern, statt tatsächlich eine Umorientierung in der Nato durchzusetzen. Die Nato, so der grüne Bundesvorstand, wird den Entwicklungen in der UdSSR damit in keiner Weise gerecht. Abweichend davon sieht der Abrüstungsexperte der Fraktion, Alfred Mechtersheimer in der Haltung der Bundesregierung erstmals eine konsequente Vertretung der Interessen der Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung.
Bei der Union herrschte dagegen eitel Sonnenschein. Fraktionschef Dregger, bekannt für seine Gegnerschaft gegen die Kurzstreckenwaffen (Je kürzer die Reichweite, je toter die Deutschen) gibt der „Sache eine echte Chance“. Wenn tatsächlich nach zwölf Monaten über die Raketen verhandelt wird, „entspricht das unseren Wünschen“. Volker Rühe, Außenpolitiker der Union, brachte die Erwartungen der CDU auf den Punkt: „Der Ball liegt jetzt bei Gorbatschow“, mit anderen Worten, wir sind den Schwarzen Peter endlich los.
JG
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