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Rhythmus der Revolte

■ Miriam Makeba singt die Befreiung der Schwarzen

Miriam Makebas Auftritt war wie eine Fata Morgana. Kaum vorbei, mochte ich nicht glauben, daß er jemals stattgefunden hatte. Samstagabend in Bremerhavens Stadthalle - in einem trostlosen Großraum mit unangenehemer Akustik -trat vor halbleeren Reihen ein Weltstar auf.

Miriam Makeba ist eine Frau mit Power, mit ebenso voluminöser wie geschmeidiger Stimmer und einer prophetischen Ausstrahlung. Sie singt und spricht von der Befreiung der Schwarzen, und sie verkörpert diese Botschaft.

Zum Auftakt der „Jubiläums-Gala“ des 10. Jazz-Port -Festivals in Bremerhaven heizten Johnny Copeland & The Texas Blues Machine dem auf unbequemen Gestühl klebenden 800 ZuhörerInnen immerhin so ein, daß sie gelegentlich die Hände zum Mitklatschen hoben. Copeland, ein versierter Blues -Gitarrist mit röhrender Stimme, spielte mit Volldampf Klassiker des Rhythm 'n‘ Blues, aber die Zurückhaltung des Publikums begann sich erst aufzulösen, als Miriam Makeba erschien. Gemeinsam mit zwei Sängerinnen und fünf Instrumentalisten stand sie 90 Minuten auf der Bühne und ließ den häßlichen Ort vergessen. Mal in gelb, mal in rot, mal im Abendkleid, mal im

kurzen Rock sang und tanzte sie wie eine 20-jährige, erzählte von ihrer Tochter, die ihr die meisten Lieder schreibe und von den beiden schon erwachsenen Enkelns. Für die inhaftierten südafrikanischen Kinder sang sie den „Soweto-Blues“, ein Klagelied: „Sie töten unsere Kinder / unter Ausschluß der Öffentlichkeit“.

Miriam Makebas Musik ist ebenso perfekt wie leidenschaftlich kämpferisch. Für den Rhythmus der Revolte hat sie junge afrikanische Musiker um sich versammelt, die in mehreren Zwischenspielen ihre solistischen Fähigkeiten ausspielen konnten. Mit klassischem Instrumentarium, Schlagzeug, Percussion, Keyboards, Bass und Rhythmusgitarre spielten sie - am Anfang recht kühl, aber schließlich immer lebhafter - aufregenden Funk.

Im Publikum saßen fast keine Jugendlichen, die Eintrittspreise von 26-40 DM waren für Bremerhavener Verhältnisse zu hoch. Miriam Makeba sang vor einer Generation von 30 bis 40jährigen, und hätten nicht wenigstens die Jüngeren in der ersten Reihe irgendwann angefangen aufzustehen und zu tanzen, was hätte Miriam Makeba dann von diesem Auftritt gedacht? h

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