: Mehr Rückgrat-betr.: "Sadismus in der Szene", taz vom 19.5.89
betr.: „Sadismus in der Szene“, taz vom 19.5.89
Mit Entsetzen habe ich Euren Artikel gelesen. Noch immer scheuen sich Frauen, Männer aus der linken Szene zu verurteilen. In dem Artikel ging es um die Vergewaltigung und Folterung einer Frau in der Hafenstraße, und unter anderem ging es um die Sozialisation und die Sichtweise des Vergewaltigers und kaum um das Leben der Frau, die noch nach fünf Jahren von den Folgen betroffen ist. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, daß der Täter ständig zitiert wird, die Frau aber nicht ein einziges Mal. Seine „kaputte, gescheiterte Existenz“ scheint als Entschuldigung oder mindestens als Erklärung auszureichen (wobei kein Klischee ausgelassen wurde).
So wird Vergewaltigung wieder zur Privatsache degradiert, statt als Ausdruck patriarchalischer Macht- und Gewaltstrukturen benannt zu werden. Darüber hinaus reproduziert ihr diese patriarchalischen Strukturen, indem Ihr Euch in Eurer Beurteilung (statt Veurteilung) nur auf den Mann bezieht. Warum kritisiert Ihr ihn nicht aus feministischer Sicht, das heißt eindeutig auf der Seite der Frau? Warum geht Ihr so verständnisvoll auf die psychische Entwicklung und Sozialisation von Vergewaltigern ein? Vielleicht aus Rücksichtnahme auf die taz-Männer.
Für den nächsten Artikel: mehr Rückgrat.
Ellen, Linda, Birgt vom Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V., Marburg
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