"Unsere Mütter"-betr.: "Kein Grundgesetz ohne Mütter", taz vom 27.5.89

betr.: „Kein Grundgesetz ohne Mütter“, taz vom 27.5.89

Die von Heide Soltau geradezu emphatisch beschriebene Helene Wessel hat sich zwar „parteipolitisch“ zwischen 1933 und 1945 „nicht sonderlich hervorgetan“, jedoch in ihrer Funktion als Fürsorgerin und Verfasserin einiger Artikel über die „Verwahrung“ von „Gefährdeten und Verwahrlosten“ politisch ganz im Sinne der Nationalsozialisten gewirkt. Nach der Verabschiedung des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ - eines Gesetzes, das zur Sterilisation unzähliger Menschen führte -, schrieb sie: „Ob neben der Sterilisation nicht weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um jene biologisch minderwertigen Menschen von der Fortpflanzung auszuschließen, die entweder nicht unter den Personenkreis des 'Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ fallen oder bei denen trotz Sterilisation nicht verhütet wird, daß sie ihr asoziales Leben ungehemmt weiterführen.“

In der Nachkriegszeit trat sie nicht nur für eine „Verständigung mit dem Osten“ ein, sondern weiterhin für die Bewahrung von „Gefährdeten und Verwahrlosten, die geistig oder seelisch anormal sind“. Heide Soltau sei der Aufsatz von Angelika Ebbinghaus über Helene Wessel in dem Buch Opfer und Täterinnen - Frauenbiographien des Nationalsozialismus empfohlen. So gesehen, lohnt sich doch ein kritischer Blick auf „unsere Mütter“.

Doris Fürstenberg, Berlin 61