: Veba: Ein Konzern wird umstrukturiert
Zweistellige Zuwachsraten / Die Nummer vier der bundesdeutschen Konzerne geht in die Chemie / Rückzug aus dem Stromgeschäft? ■ Aus Düsseldorf J. Nitschmann
Mit Energie lassen sich prächtige Gewinne erzielen - auch bei ständig rückläufigem Primärenergieverbrauch. Der Veba -Konzern, mit Öl-, Gas-, Kohle- und Atominteressen in allen wichtigen Energiebereichen tätig, konnte für das letzte Jahr einen Überschuß von 1,19 Milliarden Mark ausweisen, 15,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bilanzsumme des Multis aus Düsseldorf, der nach Daimler, VW und Siemens der viertgrößte bundesdeutsche Konzern ist, stieg um 9,7 Prozent auf 44,4 Milliarden Mark, rund zwei Drittel des nordrhein -westfälischen Landeshaushalts. Die milliardenschweren Fehlinvestitionen in die Atomkraft lassen sich da auch betriebswirtschaftlich leicht verschmerzen.
Veba-Vorstandschef Rudolf von Bennigsen-Foerder gab sich denn auf der Bilanz-Pressekonferenz seines Unternehmens am Dienstag auch ausgesprochen generös. Regreßansprüche gegenüber der öffentlichen Hand werde es wegen Wackersdorf, wo die bundesdeutsche Atomindustrie immerhin 2,6 Milliarden Mark in den Sand gesetzt hat, nicht geben: „Ich sage Ihnen eindeutig: nein.“ Die Belastungen durch die fälligen Sonderabschreibungen für die WAA können „durch freiwerdende Rückstellungen für Wiederaufarbeitung mindestens kompensiert“ werden. Bei einem Zustandekommen der Kooperation mit der Cogema in La Hague rechnet er mit einer Kostenersparnis von mindestes 1,5 Milliarden Mark für die AKW-Betreiber; die Veba selbst ist an den sechs norddeutschen Reaktoren beteiligt.
Langfristig setzt die Veba indes nicht mehr so sehr auf den Strom. Bennigsen-Foerder spricht von einer sich abzeichnenden „Schwerpunktverlagerung“ im Konzern. Schon heute beträgt der Umsatzanteil des Strom-Bereiches, der vor wenigen Jahren bei durchschnittlich zwei Drittel lag, nur noch 44 Prozent, während sich der Chemieanteil auf über 25 Prozent verdoppelt hat. Da ist es nur konsequent, daß der Konzern neue Aktivitäten in der Abfallentsorgung und Altlastensanierung entfaltet und nach der Herstellung und dem Transport von Chemikalien auch gleich die Umweltschäden verwertet.
Die mittelfristige Planung der Veba, deren Beschäftigtenzahl 1988 um 10.000 auf 84.000 stieg und dank weiterer Zukäufe inzwischen weit über 90.000 beträgt, sieht für die nächsten fünf Jahre ein Investitionsvolumen von 20,3 Milliarden Mark vor, wobei der Auslandsanteil von derzeit 20 Prozent bis zur Jahrhundertwende auf 25 bis 30 Prozent gesteigert werden soll.
Die Umstrukturierung des Veba-Konzerns ist bereits in vollem Gange. 1988 hat sich die Zahl der Veba-Töchter um 95 auf 632 Gesellschaften erhöht; 118 Zugängen standen 23 Abgänge gegenüber. Neue Beteiligungen erwarb der Konzern vor allem im Chemiebereich. Ihren seit längerer Zeit größten Coup hat die Veba aber für das laufende Geschäftsjahr zu verzeichnen: Die Fast-Mehrheit bei der Feldmühle Nobel AG (Feno), dem Herzstück der einstigen Flickgruppe. Der Feno -Konzern hatte 1988 seinen Weltumsatz um fünf Prozent auf 7,9 Milliarden Mark gesteigert und einen Überschuß von 159 Millionen Mark erwirtschaftet. Das Rennpferd dieses Konzerns ist der Papierproduzent Feldmühle.
Bennigsen-Foerder berichtete erstmals, daß es schon zu Zeiten von Karl-Friedrich Flick Verhandlungen über ein mögliches Engagement der Veba bei der Feno gegeben habe. Der Veba-Chef dazu: „Wir gucken schon seit langem liebevoll auf dieses Haus.“ Die beiden lebenslustigen Flick-Brüder Gert -Rudolf und Friedrich-Christian machten es mit Unterstützung der Commerzbank gegen die Deutsche Bank möglich: Innerhalb eines Jahres kauften sie fast 40 Prozent der Feno-Aktien zusammen und verkaufen sie - heute - mit einem beträchtlichen Aufschlag für 1,3 Milliarden Mark an die Veba. Hinzu kommen sieben Prozent, die schon jetzt in den Depots des Multis liegen.
Vier Standbeine hat die Veba bislang. Im Strombereich sind die dicksten Brocken die Preussenelektra (100 Prozent) und die Veba Kraftwerke Ruhr (100 Prozent). Hinzu kommen neben den sechs Akws (vom Vollbesitz des Akws Esenshamm bis zum Drittel-Anteil an Brunsbüttel) Beteiligungen an der DWK (20,7 Prozent), der Uranit in Jülich (37,5 Prozent) und der Urangesellschaft in Frankfurt (33,3 Prozent), außerdem zahlreiche Stromversorger, konventionelle Kraft- und Bergwerke und - außerhalb der Konzernbilanz - ein 39,2prozentiger Anteil an der Ruhrkohle AG. Beim Öl ist Aral (55,9 Prozent) die bekannteste Marke und die Veba Oel der größte Brocken. Der wichtigste Eigenbesitz im Chemie-Bereich ist die Hüls AG, im Bereich Transport/Verkehr sind es Stinnes und Raab-Karcher.
Wenn Bennigsen-Foerder auch bestritt, daß sich die Veba mit der Feno jetzt ein fünftes Bein habe beschaffen wollen Mutmaßungen gehen dahin, daß sich die Veba angesichts kommender Atomstromimporte aus Frankreich weiter aus dem Stromgeschäft zurückziehen wird. Bennigsen-Foerder selbst hatte angemerkt: „Ein Abwehrkampf wäre auf Dauer ahistorisch. Das Leben ist eben hart.“ Und sogar von einem sechsten Bein, dem Einstieg in die Kommunikationsbranche, ist schon die Rede; das allerwildeste Gerücht will sogar von einer Beteiligung am maroden und damit billigen Computerbauer Nixdorf wissen.
Vom Strom einmal abgesehen, verbesserten sich auch im ersten Quartal dieses Jahres die Bilanzdaten: Der Umsatz erhöhte sich um 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, der Konzernüberschuß stieg um 22 Prozent. Verbessert werden sollen auf der Hauptversammlung im Juli auch die Tantiemen für den 21köpfigen Aufsichtsrat, der sich sechs- bis zehnmal jährlich trifft. Bislang rangiert die Veba mit diesen Vergütungen erst auf Platz 125 unter den bundesdeutschen Aktiengesellschaften. Angepeilt wird nun ein Fixum von 15.000 Mark plus 2.500 Mark je 0,50 Mark Dividende; in diesem Jahr soll es elf Mark pro Aktie geben. Das reicht insgesamt für den Rang 50 auf der Tantiemen -Tabelle, was „der Verantwortung des Aufsichtsrates und dem Standing der Veba“ (Bennigsen-Foerder) besser entspräche.
Da wollte denn der Korrespondent der 'Financial Times‘ wissen, ob den auch der elfköpfige Vorstand an der Gewinnentwicklung des Hauses partizipieren werde. Da verstand Bennigsen-Foerder keinen Spaß: „Ich bin ja schon einige Fragen von Ihnen gewöhnt, aber so etwa gehört doch wirklich nicht auf eine Pressekonferenz.“ Immerhin war aus gewöhnlich gut informierten Journalistenkreisen zu erfahren, daß der Veba-Chef auf fast zwei Millionen Mark taxiert wird
-plus Tantiemen für diverse Aufsichtsrats-Mandate.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen