: Bürgerschaft apart geplant
■ Parlament will Bremen (vielleicht) zur „Anti-Apartheid-Stadt“ erklären / ANC-Gäste sind geladen +ZD+28.e
Wenn am nächsten Dienstag in der Stadtbürgerschaft zwei Vertreter des African National Congress (ANC) auf der Zuschauertribüne des Bremer Parlaments sitzen, hat das vordergründig seinen guten Sinn: Erstens sind sie ausdrücklich eingeladen, die Bremer SPD übernimmt sogar die Reisekosten, und zweitens debattiert die Bürgerschaft über den Beitritt Bremens als erste Stadt der Bundesrepublik zum europäischen Städtebund „Städte gegen Apartheid“. So steht es zumindest auf der Tagesordnung. Anträge zu dem Tagesordnungspunkt liegen von SPD und Grünen vor.
Statt über Bremens Beiträge zum Kampf gegen das südafrikanische Apartheidsregime werden sich die beiden ANC -Gäste allerdings sehr wahrscheinlich über die parlamentarische Problembewältigung der Bebauungsplanung in Blumenthal und über Verkehrsproblemen im Niedervieland informieren können: Bei der gestrigen Debatte um die endgültige Tagesordnung der Bürgerschaft lehnte die SPD es ab, den Tagesordnungspunkt „Anti-Apartheid“ so zu placieren, daß er auch in Anwesenheit ihrer südafrikanischen Gäste debattiert und abgestimmt werden kann. Bremen - Anti -Apartheidstadt rangiert auf Platz 13 - eine nahzu 100 -prozentige Garantie für seine Vertagung.
Offenkundig wollen die Bremer Genossen sich und den ANC -Vertretern eine Debatte ersparen, bei der Zweifel am festen Vorsatz der SPD aufkommen könnten, alle Bremer Mittel zum Wirtschafts-Boykott des südafrikanischen Rassisten-Regimes auszuschöpfen. Zwar loben die Genossen sich in dem von ihnen eingebrachten Antrag noch einmal ausdrücklich selbst für die Verleihung des Nelson-Mandela-Preises vor gut einem Jahr und die Umwidmung des Elefanten auf der Bürgerweide vom „Kolonial
denkmal“ zum „Anti-Kolo nialdenkmal“, vom Abbruch der Kontakte zu Bremens südafrikanischem Honorarkonsul steht in ihrem Antrag aber wohlweislich ebensowenig wie z.B. von der Forderung an die landeseigene Bremer Lagerhausgesellschaft, auf Geschäfte mit Südafrika künftig zu verzichten. Anders im Antrag der Grünen. in ihm wird der Senat ausdrücklich aufgefordert, das südafrikanische Konsulat in Bremen für „unerwünscht“ zu erklären, und über seine Beteiligungen an Lagerhausgesellschaft und bei MBB darauf zu drängen, daß deren Geschäftsbeziehungen mit Südafrika abgebrochen werden.
Pikanterie des Grünen-An
trags: Er übernimmt inhaltlich voll den Vorschlag der Initative „Bremer-Anti-Apartheid-Stadt“, die ihren Forderungskatalog auch der SPD-Bürgerschaftsfraktion anboten und als Antrag empfohlen hatte - zustandegekommen unter maßgeblicher beteiligung von Bremer Genossen und versehen mi den unterschriften so promineter Sozialdemokraten wie der von Bürgermeister Henning Scherf und dem Ex-SPD-Vorsitzenden Herbert Brückner.
Daß die sozialdemokratischen Abgeordneten dem Bürgermeister gleichwohl nicht zumuten wollen, den südafrikanischen Honorarkonsul von der Senats-Gästeliste zu streichen und die Bre- mischen Häfen für Südafrika Produkte zu sperren, hat allerdings gute Gründe. Eben dies hat die Bürgerschaft - damals mit den Stimmen der SPD - im Februar 87 schon einmal getan. Der Konsul ist trotzdem bis heute Gast des Bürgermeisters (angeblich kann man ihm anläßlich von Senatsempfängen nämlich besonders gut die Meinung sagen, so Bürgermeister Wedemeier) und die Häfen sind bis heute offen für Südafrikanisches aller Art. In einem 80-Seiten-Papier hat eine SPD-Arbeitsgruppe sich in den letzten beiden Jahren vergewissert: Für Handelsbeziehungen mit dem Ausland ist der Bund zuständig.
K.S.
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