: REISEN UND RATSCHEN
Als Erfolg bewerteten die Vertreter der Neuen Gesellschaft für Literatur (NGL) und des DDR-Schriftstellerverbandes die erste gemeinsame deutsch-deutsche Lesungsreihe, die am Mittwoch abend im Literarischen Colloquium in Berlin zu Ende ging. Sie war im Protokoll des deutsch-deutschen Kulturabkommens vereinbart worden. Gerhard Henniger, erster Sekretär des DDR-Schriftstellerverbandes, erklärte, die viertägige Veranstaltungsreihe könne gar nicht überschätzt werden. Die 21 deutschsprachigen Autoren, zu denen auch Beat Sterchi aus der Schweiz und Josef Haslinger aus Österreich zählten, hätten sich durch die Erörterung gemeinsamer und unterschiedlicher Probleme besser kennengelernt. Nach dem Protokoll sind drei weitere Veranstaltungen dieser Art geplant.
Zu der vor und während des Treffens mehrfach gestellten Frage, warum keine ehemaligen DDR-Autoren, die jetzt im Westen leben, beteiligt worden waren, sagte Hans Häußler, Mitorganisator der NGL: „Wir wußten, daß wir einige Dinge ausklammern mußten.“ Es habe zuerst eine gemeinsame Basis gefunden werden müssen.
Alle Sprecher bemängelten den fehlenden Publikumszuspruch. NGL-Vorsitzender Olav Münzberg wies darauf hin, daß seine Gesellschaft 90 Schulen vor allem wegen der Vormittagslesungen angeschrieben, aber keine einzige Rückmeldung erhalten habe.
Bei den Lesungen am Mittwoch abend hatte Beat Sterchi aus seinem Roman Blösch gelesen, in dem er das Leben eines spanischen Gastarbeiters in einem Schweizer Dorf beschreibt. Außerdem las er aus einem Manuskript, in dem er seine Begegnungen mit dem Schweizer Militär schildert. Danach stellten Rosemarie Schuder und Rudolf Hirsch aus Ost-Berlin ihr Buch Der gelbe Fleck vor, in dem sie Wurzeln und Auswirkungen des Judenhasses untersuchen. In der anschließenden Diskussion kam es zu einer Kontroverse mit Wolfgang Herzberg, ebenfalls aus Ost-Berlin, der in dem Essayband die Suche nach jüdischer Identität vermißte. Rosemarie Schuder hielt ihm die Vermutung entgegen, daß dieser Begriff nur ein Modewort sei, hinter dem nichts stehe. Zum Abschluß stellte Johanno Strasser die unveröffentlichten Erzählungen Augenzeugen und Nachtwind vor. Benito Wogatzki aus Ost-Berlin las aus seinen satirischen Romanen Schwalbenjagd und Ein Narrenfell.
dpa
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