: Giftstaub auf Bochumer Deponie
Ehemaliger Krupp-Chef Gödde enthüllt Giftmüllskanal in Bochum / Rechtsdezernent: „Keine Gefahr für die Anwohner“ / Genehmigte der Gutachter das von ihm selbst entwickelte Lagerungsverfahren? ■ Aus Bochum B.Markmeyer
Im Krupp-Prozeß vor dem Bochumer Landgericht packte einer der drei Angeklagten einen handfesten Umweltskandal aus. Alfons Gödde, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Krupp -Konzerns und angeklagt wegen gemeinschaftlicher Veruntreuung von 16,8 Millionen Mark, eröffnete dem Gericht, daß 30.000 Tonnen giftigen Stahlstaubs auf der Bochumer Hausmülldeponie Kornharpen und in Bochum-Wattenscheid lagern. Die brisanten Staubrückstände aus der Stahlproduktion enthalten unter anderem das krebserregende Chrom6. Knapp 5.000 Tonnen von dem giftigen Chrom, so die Bochumer Grünen, lagerten auf den beiden Deponien. Die Stadt Bochum spricht von neun Tonnen auswaschbarem Chrom.
Erst 1984 verbot der zuständige Regierungspräsident in Arnsberg die seit 1970 angewandte, grundwassergefährdende Praxis. Doch noch bis 1987 landete Krupp-Giftmüll auf der Hausmülldeponie in Kornharpen. Vermischt mit Lackschlamm aus der Opel-Lackierei und mit Zement verfestigt, sollte das Aussickern von Chrom6 verhindert werden. Die Grundlage für diese Lagerung bildete ein amtliches Gutachten des ehemaligen Leiters des Chemischen Untersuchungsamtes, Dr. Georg Fritsch. Nach Informationen der Ratsfraktion der Grünen hat Fritsch das von ihm begutachtete und für tauglich erklärte Verfahren selbst entwickelt und patentieren lassen, um es später zu genehmigen. „Wir sehen keine Gefahr für das Grundwasser und die dort lebende Bevölkerung“, versicherte der zuständige Rechtsdezernent der Stadt Bochum, Dr. Helmuth Darmstadt. Die Grünen befürchten, daß das krebserregende Chrom, das auch Hautkrankheiten und Entzündungen des Nervensystems hervorrufen kann, trotz der Verfestigung des Stahlstaubs ins Grundwasser sickern könnte. Sicherheit ist ihrer Meinung nach jedenfalls nicht gegeben, da die angewandte Lagerungsmethode nur im Labor und nicht unter den realen Bedingungen der Deponie getestet wurde.
Kenntnis über diesen neuen Umweltskandal verdankt die Öffentlichkeit dem Verlauf des Krupp-Prozesses. Ausgerechnet die Aussage des ehemaligen Stahlmanagers wirbelte den giftigen Stahlstaub auf. Gödde und seine beiden Mitangeklagten waren neben ihrer Managertätigkeit bei Krupp auch Teilhaber der Firma Rheinform in Wetter. Laut Gödde bot Rheinform die ökologisch und wirtschaftlich sinnvollste Lösung für die Stahlstaubentsorgung. Die Staatsanwaltschaft traut dem ökologischen Gewissen der Angeklagten nicht über den Weg. Sie wirft den ehemaligen Krupp-Managern vor, sie hätten die marode Firma durch Krupp-Gelder vor der Pleite bewahren wolle.
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